Leitende Vertreter trafen sich in Lüneburg zum Meinungsaustausch
Lüneburg. Der Einsatz gegen rechte Gewalt war jetzt das zentrale Thema eines Erfahrungsaustausches von führenden Vertretern von Polizei und evangelischer Kirche im nordöstlichen Niedersachsen. Dazu müssten die Gewaltprävention gestärkt, die Aufklärung über die Geschichte des Nationalsozialismus intensiviert und neue Zugänge zu potentiellen Tätern gefunden werden, hießen Ergebnisse der Gesprächsrunde in Lüneburg.
„Jeder Schüler sollte einmal das Dokumentenhaus der Gedenkstätte Bergen-Belsen besuchen“, forderte beispielsweise Friedrich Niehörster. Der Lüneburger Polizeipräsident nahm auf Einladung von Landessuperintendent Dieter Rathing mit neun leitenden Beamten an dem Treffen mit den zwölf Superintendenten des Sprengels teil. Gerade in ländlichen Regionen und unter bildungsschwachen Menschen fällt rechtsradikales Gedankengut leicht auf fruchtbaren Boden – das zeigt sich nach Einschätzung der Gesprächsteilnehmer auch in Nordost-Niedersachsen.
Meist spielen politische Motive dabei eine untergeordnete Rolle, in vielen Gruppierungen geht es schlicht um Zugehörigkeit. „Manche Menschen sind über das Bedürfnis nach Heimat verführbar“, hat Hanna Löhmannsröben, Superintendentin des Kirchenkreises Wolfsburg, erfahren. Für Stefanie Lerche von der Polizeidirektion Lüneburg suchen anfällige Jugendliche letztlich nach Aufmerksamkeit und Orientierung. Die Kirche könne diese Erfahrungen vermitteln, sieht die Polizeirätin eine Chance für die Kirche.
Dass die Kirche beispielsweise mit Jugendgruppen, Freizeiten oder Pfadfindern eine „reiche Jugendarbeit“ betreibe, wurde allseits gewürdigt. „Aber sie ist noch nicht umfassend genug“, gestand Hittfelds Superintendent Dirk Jäger ebenso ein wie sein Kollege Michael Thiel aus Gifhorn: „So viele Kontaktflächen zu den gefährdeten Jugendlichen haben wir nicht.“ Hans-Georg Sundermann berichtete von „neuen Aktionsformen“ wie einem Anti-Gewalttraining für Konfirmanden des Kirchenkreises Celle. „Haben wir mit der heute kaum noch praktizierten Offenen Jugendarbeit einen gangbaren Weg zur Integration von Jugendlichen aufgegeben“, fragte Landessuperintendent Rathing kritisch. Für Propst Stephan Wichert-von Holten aus Lüchow wird neben dem schulischen Religionsunterricht die Begleitung von Auszubildenden wichtiger, gerade an Berufsschulen gebe es eine „rechte Szene“. Auf die Notwendigkeit der Vernetzung von Aktivitäten machte Superintendentin Christine Schmid mit Blick auf den Erfolg des Lüneburger „Netzwerks gegen Rechts“ aufmerksam.
Der Gedankenaustausch zwischen Polizei und Kirche soll auch auf örtlicher Ebene fortgesetzt werden, waren sich die Beteiligten einig. Schließlich konnten die Kirchenvertreter für ihre Notfallseelsorge ein „exzessives Lob“ einheimsen. Stellvertretend würdigte Polizeidirektor Stefan Sengel von der Polizeiinspektion Heidekreis diesen pastoralen Dienst, zu dem beispielsweise die Betreuung von Unfallopfern und Angehörigen oder das Überbringen von Todesnachrichten gehört. Die Notfallseelsorge bedeute gerade für jüngere Kollegen eine große Entlastung.
Hartmut Merten