Kirche in Faßberg soll Lern- und Gedenkort werden

Pressemitteilung Faßberg, 12. November 2024

Ehemalige NS-Kirche in Faßberg wird Lern- und Gedenkort

Vertreter und Vertreterinnen aus Kirche, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft haben die Gespräche zur Schaffung eines Lern- und Gedenkortes in der Kirche Faßberg erfolgreich wieder aufgenommen. Nach einer längeren Pause, die unter anderem durch die Diskussionen um die sogenannte „Hakenkreuz-Glocke“ geprägt war, kam die Arbeitsgruppe auf Einladung von Regionalbischöfin Marianne Gorka zusammen, um die Zukunft der Glocke und ihrer historischen Bedeutung in einem reflektierten Kontext zu diskutieren.

Zu den Teilnehmenden des Treffens gehörten unter anderen Pastor Rudolf Blümcke, Mitglieder des Kirchenvorstands (KV), Sprecherin Angelika Cremer sowie ein weiterer Vertreter der Geschichtswerkstatt Gemeinde Faßberg (GeWeFa), Bürgermeisterin Kerstin Speder, Dr. Elke Gryglewski von der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Dr. Mareike Rake vom Landeskirchlichen Archiv Hannover. Superintendent Heiko Schütte sowie Dr. Christian Staffa, Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche Christlicher Vorsitzender der AG „jüdisch und christlich“ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag und Beauftragter der Ev. Kirche in Deutschland für den Kampf gegen Antisemitismus, zählen ebenfalls zum Initiativkreis, auch wenn beide an diesem ersten Abend verhindert waren.

Die Moderation übernahm Regionalbischöfin Marianne Gorka. Die Kirche in Faßberg befindet sich auf dem Gebiet des Sprengels Lüneburg, dem die Regionalbischöfin vorsteht.

Ein neuer Ansatz für die Aufarbeitung

Das Treffen markiert den Beginn einer erneuten intensiven Auseinandersetzung mit der historischen Last der Glocke und ihrer symbolischen Bedeutung für die Kirchengemeinde Faßberg. Das Ziel der Gruppe ist es, einen Lern- und Gedenkort zu entwickeln, der die Glocke in ein umfassendes pädagogisches Konzept einbettet. Die Arbeitsgruppe betonte die Notwendigkeit eines partizipativen Prozesses, der auch die Gemeinde aktiv einbinden soll. Als positives Beispiel für einen solchen partizipativen Prozess erinnern sich die Ortsansässigen an die Aufarbeitung der Berliner Luftbrücke, die damals von Faßberg ausging. Daran wurden Schulen und diverse Gruppen des Ortes auf unterschiedliche Weisen beteiligt, um sich mit eigenen Ideen mit diesem Thema zu beschäftigen und auseinanderzusetzen.

Im Rahmen eines geplanten „Welt-Cafés“ sollen zunächst die Kirchengemeindeglieder die Möglichkeit erhalten, ihre Vorstellungen und Wünsche einzubringen, insbesondere im Hinblick auf das Gedenkjahr „80 Jahre Kriegsende 1945 – 2025“. Perspektivisch sollen auch Bürgerinnen und Bürger außerhalb der Kirchengemeinde beteiligt werden.

Konsens für die Zukunft

Die Teilnehmenden einigten sich darauf, die Entwicklung eines Lern- und Denkortes in der Kirche Faßberg weiter voranzutreiben, wobei die Glocke als zentrales Symbol für die Geschichte der Kirche und des Ortes Faßberg dienen soll. Dieser Prozess wird von der Initiativgruppe begleitet, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Institutionen zusammensetzt.

"Der Glocke kommt eine besondere symbolische Rolle zu."

„Will man alle gut mitnehmen, braucht es manchmal eben leider seine Zeit und Geduld von allen. Man hätte denken können, dass zum Beispiel während der Sanierungs-Bauphase an der Kirche parallel dazu auch ein Umgang mit der Glocke und damit auch der Geschichte der Kirche schon in Gang gebracht und womöglich auch bereits abgeschlossen worden wäre. 
Man darf aber auch nicht vergessen: allein eine solche Baumaßnahme kostet ein überwiegend ehrenamtlich besetztes Gremium wie einen Kirchenvorstand viel Kraft. Auch da geht manchmal nicht alles und nicht alles zugleich, was wünschenswert wäre. 

So gehen wir den schon begonnen Weg jetzt weiter Schritt für Schritt. Und ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, die an diesem Aufarbeitungsprozess Interessierten wieder zusammen an einen Tisch zu holen und sich gemeinsam auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen. Die Kirche Faßberg soll ein „Denkort“ werden. Der Glocke kommt dabei eine besondere symbolische Rolle zu.“

Hintergrund:

Die Geschichte der Michaelkirche in Faßberg und ihrer Glocke ist vor allem mit den nationalsozialistischen Ursprüngen des Ortes verbunden und verdeutlicht die komplexe Beziehung zwischen Kirche und Staat in dieser Zeit sowie die besondere Rolle, welche die Kirche und die Kirchenglocke in der Geschichte Faßbergs spielen. Die Kirche in Faßberg ist vermutlich die einzige Kirche, deren Bau in der nationalsozialistischen Zeit vom Staat in Auftrag gegeben und finanziert wurde, und zwar ohne, dass die Kirche selbst einen Anteil daran hatte. Sie ist daher stilistisch geprägt vom damaligen Zeitgeist, was noch heute an einigen Stellen – etwa durch Hakenkreuz-Symbole - deutlich zu erkennen ist.

Es wird davon ausgegangen, dass eine Kirchenglocke mit dem Hoheitszeichen der Luftwaffe nirgendwo sonst jemals existiert hat. Aus historischer oder denkmalpflegerischer Sicht ist die Faßberger Glocke deshalb etwas Besonderes und könnte als Teil des Lern- und Gedenkortes fungieren.

Die Glocke mit dem Hoheitszeichen der Luftwaffe steht sinnbildlich für die Verbindung von Religion und Militär in einer nationalsozialistischen Garnisonsstadt. Dieser Bau zeigt, wie tief das NS-Regime in allen gesellschaftlichen Bereichen, sogar in der Kirche, Einfluss nahm und sie für seine eigenen Zwecke instrumentalisierte. Heute stellt die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte eine wichtige Grundlage für die Entwicklung eines Gedenkortes dar, der an die Verbrechen des Regimes erinnert und zur kritischen Reflexion über die Rolle der Kirche in dieser Zeit anregt.

Beteiligte Institutionen der Arbeitsgruppe:

  • Kirche Faßberg
  • Gemeinde Faßberg
  • Landeskirche Hannovers mit dem Sprengel Lüneburg
  • Geschichtswerkstatt Gemeinde Faßberg (GeWeFa)
  • Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
  • Landeskirchliches Archiv Hannover
  • Demokratische Kultur und Kirche
  • AG „jüdisch und christlich“ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag