Europa vor neuen Herausforderungen
Angesichts „multipler Krisen“ hat David McAllister beim Neujahrsempfang der Johanniter in der Lüneburger St. Michaeliskirche ein flammendes Plädoyer für Europa gehalten. Das Vereinte Europa habe den Mitgliedsstaaten die bislang längste Phase des Friedens beschert, zudem Wohlstand und Sicherheit garantiert. „Wir können es uns nicht mehr leisten, an Stammtischen über Europa zu lästern“, mahnte McAllister. Der Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Vizepräsident der Europäischen Volkspartei sprach vor rund 300 Gästen über „Die Europäische Union vor neuen Herausforderungen in 2017“.
Dazu gehört für McAllister der erstarkende Nationalismus. „Wenn Frau Le Pen die Wahl in Frankreich gewinnt, sieht es für die Zukunft Europas ganz schlecht aus“, malte der EU-Parlamentarier ein düsteres Bild. Auch angesichts politischer Krisen etwa im Verhältnis zur Türkei und wirtschaftlicher Probleme in Südeuropa sei eine Besinnung auf die grundlegenden Werte vonnöten. Statt sich über Kleinigkeiten zu streiten, sollten die europäischen Staaten bei den großen Themen Einigkeit erzielen. „Wir müssen uns auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren“, richtete der Europa-Politiker den Blick auf Prioritäten.
Dazu gehören für McAllister vor allem neue Impulse für die Wirtschaft, insbesondere mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in südeuropäischen Ländern. In seinem Acht-Punkte-Plan nannte McAllister darüber hinaus die Weiterentwicklung des Binnenmarkts im Sinne des digitalen Fortschritts, eine robuste Energie- und Klimapolitik, um etwa die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, und eine vertiefte Wirtschafts- und Währungsunion.
Der konservative Politiker forderte in dem Zusammenhang mehr soziale Gerechtigkeit. Es dürfe nicht sein, dass ein Unternehmen wie Starbucks weniger Steuern zahle als das Café um die Ecke. „Wenn es uns nicht gelingt, das Steuerdumping zu beenden und Steueroasen auszutrocknen, werden wir noch mehr Akzeptanzprobleme bekommen.“
Als Wertegemeinschaft biete Europa Asylsuchenden Schutz, allerdings könnten „Nicht-Verfolgte nicht alle kommen“, so der frühere niedersächsische Ministerpräsident. „Als Europäer müssen wir begreifen, dass unsere Außengrenzen unsere gemeinsamen Außengrenzen sind“, rief McAllister zur Mitverantwortung auf. Mehr Zusammenarbeit forderte der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten auch in der Verteidigungspolitik, bevor er schließlich auf den Brexit zu sprechen kam.
„Es tut mir in der Seele weh, wie dieses Land schlafwandelt“, sagte McAllister, der schottische Wurzeln hat und neben dem deutschen auch einen britischen Pass besitzt. Es bleibe die Hoffnung, dass sich das Land eines Besseren besinnt. Alle europäischen Staaten hätten die Aufgabe, die Idee Europas von einer Generation an die nächste zu vermitteln und weiterzuentwickeln. „In der globalen Welt sind auch Deutschland und Frankreich kleine Länder“, warb McAllister für die EU.
Unter den vielen prominenten Gästen des Neujahrsempfangs konnte Volker Bescht, Leiter der gastgebenden Subkommende Lüneburg, in diesem Jahr auch Seine Königliche Hoheit Dr. Oskar Prinz von Preußen begrüßen. Der Herrenmeister des Johanniterordens in Deutschland lobte in seinem Grußwort das Engagement der Lüneburger Johanniter in der Flüchtlingsarbeit. Sie hätten das viel zitierte Wort der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das“ – täglich mit Leben gefüllt.
Seit jeher sei es Auftrag der Johanniter, Menschen in Not zu helfen, „unabhängig von Hautfarbe und Religion“, erinnerte der Prinz von Preußen an den geistlichen Ursprung des Ordens. Das Eintreten für den christlichen Glauben und der Einsatz für die Schwachen bildeten das Fundament der Johanniter. „Auch vom gegenwärtigen Populismus lassen wir uns darin nicht beirren“, betonte der Herrenmeister.
Hartmut Merten