Regionalbischöfe auf der Grünen Woche

Nachricht Lüneburg/ Berlin, 27. Januar 2017

Mit Diskussionen und Aktionen zum Thema Tierwohl präsentierten sich die Kirchen auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Den Evangelischen Dienst auf dem Lande in Deutschland vertrat diesmal die hannoversche Landeskirche. Zum Personal des ökumenischen Kirchenstands gehörten unter anderem Christian Cordes, Superintendent im Kirchenkreis Lüneburg, sowie die Landessuperintendenten Dieter Rathing (Lüneburg) und Hans Christian Brandy (Stade).

Für Rathing ist die Ausstellung der Land- und Ernährungswirtschaft eine gute Gelegenheit, mit Messebesuchern über Tierwohl-Kriterien ins Gespräch zu kommen, zwischen widerstreitenden Interessen zu vermitteln und kirchliche Positionen bekannt zu machen. „Nicht zuletzt geht es uns hier auch um Aufklärung“, sagte der Lüneburger Regionalbischof. „Wie lange ist ein Huhn heute eigentlich im Stall?“

Um die Diskussion anzuregen, gab es auf dem Kirchenstand ein besonderes Glücksrad. Zwölf Antworten kreisten um die Frage: „Was braucht ein Huhn, um glücklich zu sein?“ Sonne zum Beispiel, meinten viele Besucher. Doch Andreas Brinker, der am Kirchenstand die Katholische Landvolkbewegung in Deutschland vertrat, widersprach: „Nicht alles, was Menschen sich wünschen, tut auch Tieren gut.“ Hühner kämen ursprünglich aus dem Wald.

Noch brisanter war die Antwortmöglichkeit „Bruder“. Sie provozierte heftige Kritik an der aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geübten Praxis, männliche Küken unmittelbar nach dem Schlüpfen zu schreddern oder zu vergasen. Und was bedeutet es zu wissen, dass ein konventionelles Masthuhn anderthalb Kilo Futter braucht, ein Bio-Huhn dagegen 20 Kilo? Es gehe darum, ethische Fragen zu stellen und Ambivalenzen aufzuzeigen, beschrieb Hans Christian Brandy die Aufgabe der Kirche. „Es gibt keine einfachen Lösungen.“

Als Experten aus der Landwirtschaft standen am Kirchenstand Studenten der Katholischen Landvolk-Hochschule Oesede bereit. Um die Besucher zum Nachdenken anzuregen, verschenkten die jungen Landwirte Frühstückseier aus Bodenhaltung an die Besucher. Wer ein Ei aus Freilandhaltung haben wollte, musste 10 Cent drauflegen, ein Bio-Ei gab’s gegen Zuzahlung von 20 Cent. „Aber die Leute sagen: Danke nein, dann nicht“, zeigten sich die Studenten vom Verhalten der Verbraucher enttäuscht. Die seien nicht bereit, für mehr Qualität und mehr Tierwohl auch mehr zu bezahlen.

Überzeugungsarbeit am Verbraucher zu leisten, sah dementsprechend auch Standbesucherin Dorit Stehr als vordringliche Aufgabe an. Die Tierärztin aus Oldendorf bei Lüneburg beschrieb eine Kuriosität: Einerseits leisteten sich die Menschen die teuersten Küchen, andererseits würden die kaum noch genutzt. „Wenn ich außerhalb esse: Weiß ich eigentlich, woher die Lebensmittel kommen“, fragte Stehr, die in Hannover als Qualitätsmanagement-Beauftragte des Landes Niedersachsen tätig ist.

Dass Tierschutz einen Mehrwert darstellt, zeigte sich bei einer Podiumsdiskussion. Unter den Teilnehmern war der ehemals konventionelle Schweinemäster Jens van Bebber (Grafschaft Bentheim). Der von NDR-Fernsehmoderatorin Heike Götz als „Schweineversteher“ vorgestellte Agrarwissenschaftler bietet seinen Tieren unter anderem einen offenen Stall und artgerechte Bodenfütterung. Der Betrieb entspreche nicht den Bio-Richtlinien, „aber wir haben das Schwein an sich in den Mittelpunkt gestellt“. Für den Koch und Restaurant-Inhaber Christoph Hauser gehört zum Respekt vor dem Tier dessen vollständige Verwertung, einschließlich der Innereien. „Herz und Nieren sind eigentlich das Beste am Tier.“

Die Kirche müsse in ihren Einrichtungen mit gutem Beispiel vorangehen, forderte Ricarda Rabe mit Blick auf die Auswahl der dort eingesetzten Nahrungsmittel. Das sei längst nicht überall der Fall, beklagte die Referentin für die Kirche auf dem Lande (Hannover). „Lebensmittel sind wertvoll, ein entsprechendes Verhalten sind wir sowohl dem Schöpfer als auch den Geschöpfen schuldig.“

Hartmut Merten