In seinem diesjährigen Weihnachtsbrief hat der Lüneburger Landessuperintendent Dieter Rathing den Glauben als Suchbewegung von Juden, Christen und Muslimen beschrieben. Gott sei nicht im religiösen Wettkampf zu finden. „Wir finden ihn im Reden mit den anderen“, schrieb Rathing in der Woche vor dem Christfest an rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zehn Kirchenkreisen des Sprengels, darunter die Pastoren und Diakone. Die Überwindung des Glaubens, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, sei eine „Jahrtausendaufgabe“.
Der Regionalbischof für den nordöstlichen Sprengel der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers erinnerte an die Weisen aus dem Morgenland. In der Heiligenlegende verkörperten Caspar, Melchior und Balthasar die damals bekannten Kontinente Europa, Asien und Afrika. In einer unseligen Tradition habe man mit den drei Königen die Überordnung der christlichen Kirche gegenüber anderen Religionen begründet: Die Andersgläubigen verließen Land und Leute, um die Knie vor dem Gott der Christen zu beugen. „Das ist dem Miteinander der Religionen schlecht bekommen“, beklagte Rathing.
Heute ließen sich Caspar, Melchior und Balthasar auch als Repräsentanten der drei von dem Urvater Abraham abstammenden Weltreligionen ansehen. „Da machen sich drei Könige auf die Suche nach Gott“, deutet Rathing eine gegenwartsbezogene Variante der Weihnachtsgeschichte an. Weil sie miteinander an der Krippe eintreffen, müssten sie sich irgendwo getroffen und verabredet haben. „Sie haben darüber gesprochen, wer was wie sucht und warum, was man schenkt und in welcher Haltung sie sich dem Gesuchten nähern wollen“, beschrieb Rathing den Trialog der Religionen. Gott finde sich in der gemeinsamen Suche, warb Rathing für das Gespräch mit Andersgläubigen, mahnte zugleich zu Geduld: „Manchmal muss dabei auch einer auf den anderen warten.“
Die Sorge um das soziale Gefüge der Gesellschaft und der Dank für das Engagement im Jubiläumsjahr der Reformation waren weitere Themen des bischöflichen Weihnachtsbriefs. Einerseits stehe der Mensch als Individuum vor Gott. „Andererseits müssen wir zusammenkommen, um uns dieses Glaubens zu vergewissern, wir brauchen einander“, betonte Rathing den Wert der Gemeinschaft. Nach dem besonderen evangelischen Jahr 2017 mit oft ökumenischem Profil sei der politische Wille gestärkt worden, den 31. Oktober zu einem arbeitsfreien Tag zu machen.
Hartmut Merten