20 neue Kirchenführerinnen und Kirchenführer zertifiziert

Nachricht Hermannsburg, 19. August 2017

Landessuperintendent mahnt zu Wertschätzung von Gotteshäusern

Menschen suchen gern Kirchen auf, in letzter Zeit sogar „verstärkt“. Das hat jedenfalls Klaus Stemmann von der Kirche im Tourismus (Hannover) beobachtet.  Manche Menschen brächten eine „Sehnsucht nach Verwandlung“ mit in die Kirche. Andere wollten an dem besonderen Ort eines Menschen gedenken, beten und sich ihres Glaubens vergewissern.

„Kirchen lebendig werden lassen“ lautet das Motto der Kirchenführerausbildung in der hannoverschen Landeskirche. Ehrenamtliche Kirchenführerinnen und Kirchenführer helfen den Besuchern, Gotteshäuser zu entdecken und für sich zu erschließen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung erhielten die 20 Teilnehmer des letzten Kurses jetzt im Rahmen eines Gottesdienstes in der St. Peter-Paul-Kirche in Hermannsburg ihre Zertifikate. Die Predigt hielt der Lüneburger Landessuperintendent Dieter Rathing.

„Menschen sind beeindruckt von unseren Kirchen, weil die Faszination dieses Raumes ihnen imponiert – nicht nur als schönes Gebäude, sondern als Gotteshaus“, sagte der Regionalbischof für die evangelische Kirche im nordöstlichen Niedersachsen. Deshalb dürften Kirchenführungen nicht bei äußerlichen Fragen, wie nach der Höhe des Kirchturms oder den Kosten der neuen Kirchenfenster stehen bleiben. Gefragt sei die „Leidenschaft, das kirchliche Bauwerk, die Gegenstände seiner Ausstattung von innen heraus, mit dem, was sie sagen und bedeuten wollen, zum Reden zu bringen.“ Der Landessuperintendent mahnte dazu, die Kirchen als Räume der Gottesbegegnung wertzuschätzen. Gotteshäuser dürften „nicht zur Konzerthalle, zum Multifunktionsraum oder zum Souvenirladen verkommen“.

Der Kirchenführer-Ausbildungskursus ist durch den Bundesverband Kirchenpädagogik EKD-weit anerkannt. Für den Leitenden Referenten der Kirche im Tourismus (Hannover) ist der Begriff „Führung“ indes missverständlich. Für Klaus Stemmann geht es vor allem darum, Besucher die Kirche selbst entdecken zu lassen, mit allen Sinnen und im Dialog. „So wird die Kompetenz der Gäste aufgenommen und die Ebene ‚Ich klug – Du blöd‘ erhält weniger Raum“, ist der Diakon überzeugt. 

Das Curriculum der landeskirchlichen Ausbildung umfasst 120 Unterrichtsstunden, verteilt auf acht Wochenend-Module im Laufe von knapp anderthalb Jahren. Der im Juni 2016 gestartete Ausbildungskursus begann im Kloster Amelungsborn mit Reflexionen zur Rolle der Kirchenführer als Gastgeber. Weitere Ausbildungsabschnitte vermittelten beispielsweise Grundwissen über die niedersächsische Kirchengeschichte, Baugeschichte und Architektur. Zudem stand die Vermittlung von Kenntnissen über Ausstattung und Symbolik einer Kirche auf dem Programm. Methodik und Didaktik sowie Organisation und Ablauf von Führungen und nicht zuletzt Rechts- und Versicherungsfragen waren weitere Themen.

Als Referenten standen Experten des jeweiligen Fachs zur Verfügung, so zum Beispiel der langjährige Direktor des landeskirchlichen Archivs, Hans Otte, der Direktor des Geistlichen Zentrums Kloster Bursfelde, Klaus Dettke, oder Marion Wrede, Kirchenpädagogin an der hannoverschen Marktkirche. Auch in geografischer Hinsicht kamen die angehenden Kirchenführer viel herum: Neben Amelungsborn gehörten das Kloster Bursfelde, das Michaeliskloster Hildesheim sowie die Heimvolkshochschulen Loccum und Hermannsburg zu den Tagungsstätten.

Dass die Absolventen im Laufe der Ausbildung und danach ihren persönlichen Stil entwickeln, ist im Sinne der Ausbildung. Kirchenführungen könnten etwa historisch, spirituell, touristisch oder theologisch akzentuiert sein. Immer gehe es indes darum, Schätze des betreffenden Kirchraums zu heben und für die Gäste fruchtbar zu machen, betont Stemmann.

In der Tatsache, dass Menschen immer weniger vom Christentum wissen, sieht Stemmann auch eine Chance: „Der Kirchenraum ist ein Instrument der Alphabetisierung in Glaubensfragen.“ Auch liturgische Elemente könnten in Kirchenführungen vorkommen: „Manche Kirchenführer nutzen Kerzen zu einer kleinen Prozession“, weiß der Diakon. Auf die Weise werde etwa klösterlicher Alltag nachempfunden. Das Ritual, die Erfahrung von Stille und Konzentration erwiesen sich als „Potential für den Alltag Suchender“.

Der nächste Ausbildungskursus beginnt im Juni 2018. Infos gibt es per E-Mail an: stemmann@kirchliche-dienste.de. (Hartmut Merten)