Der Reformationstruck in Wolfsburg

Nachricht Wolfsburg, 07. Dezember 2016

Auf seiner Fahrt durch 19 europäische Länder in die Lutherstadt Wittenberg ist der Reformationstruck am Montag in der Autostadt Wolfsburg angekommen. Das Thema des Geschichtenmobils lautete an der 14. Station: „Mitschöpfer Mensch. Arbeit neu entdecken.“

Der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes Arend de Vries begrüßte das Truck-Team auf dem Hollerplatz, „einem Ort, wo Luther nicht hingekommen ist“. Dennoch habe sich die Landeskirche neben Osnabrück bewusst für Wolfsburg als zweite Station entschieden, das Thema Christsein und Beruf stehe hier im Vordergrund. „Alles, was wir tun, hat vor Gott eine bestimmte Würde.“

Konrad Merzyn, der das Truck-Projekt für die Evangelische Kirche in Deutschland begleitet, erklärt das Ziel: „Wir wollen zeigen, wie weit sich die Grundgedanken der Reformation in Europa verzweigt haben.“ Angesichts nationalistischer Tendenzen bekräftigte der Lüneburger Landessuperintendent Dieter Rathing in seinem Grußwort die Idee Europas. „Die Geschichten und Bilder, die wir hier zu hören und zu sehen bekommen, werden uns mit Menschen in anderen Städten und Ländern verbinden.“ Dazu gehören auch Video-Geschichten von Wolfsburgern, die Superintendentin Hanna  Löhmannsröben dem Truck-Team übergab.

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Die illuminierte Christuskirche Wolfsburg im Dezember 2016. (Foto Merten)

Anschließend führte eine Prozession vom Hollerplatz zunächst durch eine Lichtkunstinstallation, das „500-Meter-Tor der Freiheit“, zur illuminierten Christuskirche. Ein Laserstrahl, der das Rathaus mit der Christuskirche verband, zeige die gute Zusammenarbeit von Stadt und Kirche, betonte die Superintendentin des Kirchenkreises Wolfsburg-Wittingen.

Um Würde und Wert der menschlichen Arbeit ging es im ökumenischen Eröffnungsgottesdienst. Rathing erinnerte in seiner Predigt an Martin Luther, der die alltägliche Arbeit als Dienst an Gott und am Mitmenschen verstanden habe. Der Beruf zum Glauben und die Berufung zum Dienst am Nächsten gehörten für den Reformator zusammen. Da gebe es keine Rang- und Wertunterschiede, „auch nicht zwischen Männer- und Frauenarbeit“, zog Rathing mit Blick auf die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern eine ethische Konsequenz.

Der Regionalbischof kritisierte die teils horrenden Einkommensunterschiede zwischen den Vorständen börsennotierter Unternehmen und ihren Mitarbeitenden ebenso wie die schlechte Bezahlung von Menschen in sozialen Berufen: „Einer Pflegekraft im Krankenhaus, einer Erzieherin im Kindergarten ist nicht zu erklären, warum ihr Dienst am Nächsten 57-mal weniger wert sein soll als eine Arbeit mit Aktien oder die Power für Produkte.“

Arbeit verkomme zum Götzendienst, wenn in ihr kein „Nächstendienst“ mehr erkennbar sei. „Gott hat die Arbeit in seine Schöpfung eingebaut, damit einer dem anderen mit seinen Kräften und Begabungen helfen soll“, predigte Rathing.

„Feel the spirit“ lautete das Motto eines Aktionstages für Auszubildende aus dem VW-Werk, den die Landeskirche in Partnerschaft mit dem Autobauer am Dienstag ausrichtete. „Wo, wenn nicht in unserer Region kennen wir uns aus mit Beruf und Berufung, Arbeit und Erschöpfung, Leistung und Unsicherheit“, sagte Hanna Löhmannsröben mit Blick auf die Autostadt. Gemeinsam mit ihrem Team hatte die Superintendentin einen Bildungskirchentag für alle auf die Beine gestellt.

Bei einem Empfang in der Bürgerhalle des Rathauses wurde der Stadt Wolfsburg der Titel „Reformationsstadt Europas“ verliehen. Für die Stadt böte sich damit die Chance zur Zusammenarbeit mit anderen Reformationsstädten, sagte Ralf Tyra, der den Stationenweg von Seiten der Landeskirche organisierte. Seine Vision: „Ein Städtebund, der die Themen der Reformation heute repräsentiert.“

Hartmut Merten

Predigt von Landessuperintendent Dieter Rathing am 5. Dezember 2016 in der Christuskirche Wolfsburg