„Digitale Assistenzsysteme, wie etwa Spurhaltesysteme im Auto oder „Siri“ auf dem iPhone, verändern grundlegend das Verhältnis zwischen Anwender und Gerät“, sagt Jo Bager, Diplom-Informatiker und Redakteur der Computerzeitschrift ‚c’t“. Der Computer-Experte referierte beim ersten „e-breakfast“ im Kirchenkreis Hittfeld über digitale Assistenzsysteme und fragte „Wer steuert wen?“ Etwa 20 Teilnehmer aus dem Sprengel Lüneburg waren zu Gast beim „e-breakfast“ im Gasthaus „Zur Linde“. Nach einem leckeren Frühstück und dem Referat von Jo Bager wurde angeregt an den Tischen diskutiert.
„Spurhaltesyseme in Autos treffen heute schon Entscheidungen, die bisher Menschen vorbehalten waren – zum Beispiel Entscheidungen über Leben und Tod“, sagte Jo Bager. Das selbst fahrende Auto sei nur eine Frage der Zeit, das dann Entscheidungen trifft, die der Mensch vielleicht so nicht getroffen hätte. Auch die Wehrtechnik nimmt sich neuer Technik an: Kampfroboter zögern, anders als der Mensch, aber nicht in der entscheidenen Sekunde.
Die Frage, ob jedermann Assistenten nutzen oder zumindest durch die ihnen zugrundeliegende Technik betroffen sein wird, wurde von vielen Teilnehmern bejaht. Daher ist es umso wichtiger zu verstehen, wie sie funktionieren und auch welche Risiken damit verbunden sind. „Im Web ist die den Assistenten zugrundeliegende künstliche Intelligenz (KI) schon im Einsatz, etwa bei der Google-Suche oder bei Online-Werbung. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch abseits des Netzes zum Einsatz kommt, in der Medizintechnik, beim Smart Home oder beim assistierten Fahren“, so Bager. So gibt es bereits Contactlinsen, die den Blutzucker bei Diabetes-Patienten messen können, vielleicht werden sie in Zukunft mit einer Insulinpumpe verbunden sein. Und bei Gericht werden in den USA bereits Systeme genutzt, um das Rückfallrisiko von Menschen anhand ihrer persönlichen Daten zu berechnen.
Bager fragte in die Runde, ob Assistenten intelligenter sein werden als der Mensch. So hat ein Software-Programm beim chinesischen Brettspiel „Go“ gegen einen Menschen gespielt und gewonnen, weil es kreative Spielzüge auswählte. Viele Teilnehmer waren sich einig, dass dies in der Zukunft der Fall sein wird. „Die aktuelle Entwicklung bei der den Assistenten zugrundeliegenden künstlichen Intelligenz zeigt, dass sich wissenschaftlicher Fortschritt mitunter in Sprüngen vollzieht. Die Grundlagen für eine stärkere künstliche Intelligenz sind da: Rechenpower und Speicherplatz werden immer billiger“, sagte Bager.
Jo Bager riet den Teilnehmern, informiert und kritisch zu bleiben, Assistenzsysteme auf ihren Nutzen für sich selbst zu hinterfragen und zu erkennen, dass der Mensch zur Ware wird. „Messenger baut derzeit seinen Dienst so aus, dass Menschen nicht mehr über einzelne Apps Lebensmittel, Flugtickets und mehr kaufen müssen, sondern alles gebündelt direkt über den Messenger-Dienst zu handhaben ist. Es erlaubt damit Unternehmen, Profile von mehreren Millionen Menschen anzulegen und auf ewig zu speichern“, so Bager.
Mit einer provokanten These beendete Jo Bager die Diskussionsrunde:
„Wenn wir erst einmal ein Überwesen geschaffen haben, das uns in jeder Situation leitet – dann brauchen wir auch keinen anderen Gott mehr, keine „altherkömmliche“ Kirche“, so Bager. Hier fielen die Stichworte „Transhumanismus“ oder „Singularitarianismus“. So versteht man laut Wikipedia unter „technologischer Singularität“ einen Zeitpunkt, „bei dem sich Maschinen mittels künstlicher Intelligenz rasant selbst verbessern und damit den technischen Fortschrit derart beschleunigen, dass die Zukunft der Menschheit hinter diesem Ereignis nicht mehr vorhersehbar ist.“
Dem widersprachen viele Teilnehmer und hätten gern länger darüber diskutiert. Dennoch kam das Format des „e-breakfast“ bei den Gästen sehr gut an. Die Internetabteilung des Evangelischen MedienServiceZentrums (EMSZ) hatte das „e-breakfast“ als neues Workshop-Format im Sprengel Lüneburg angeboten, nachdem es im November in Hannover stattgefunden hat.
Carolin Wöhling
Kirchenkreis Hittfeld