BILD-Redakteur wünscht sich "lautere Kirche"
Sebastian Voigt, Redakteur der „Bild“-Zeitung in Hamburg, hat die Kirche zu mehr politischem Engagement aufgerufen. „Ich wünsche mir, meine Kirche wäre lauter angesichts der leidenden Kinder in Aleppo“, nannte der Journalist als Redner auf der Bürgerkanzel in St. Nicolai ein aktuelles Beispiel.
Jeder Mensch brauche Menschen, auf die er sich verlassen kann, sagte Voigt. Das gelte etwa für Uli Hoeneß, der nach Verbüßen seiner Haftstrafe kürzlich ohne Gegenstimme zum Präsidenten des FC Bayern München wiedergewählt wurde. „Fallen lassen? Nicht in der Vereinsfamilie“, lobte der Journalist die Solidarität der Vereinsmitglieder. „Steuerhinterziehung ist Mist, aber einen Menschen fallen lassen, ist der größere Mist.“
Voigt sprach auch von der Verantwortung der Medien. „Wir müssen uns verlassen können auf die Zeitung“, betonte der Redakteur. Dabei stünden die Medien heute vermehrt vor der Aufgabe, den Menschen die immer komplizierter werdende Welt zu erklären. Dabei müsse die Presse eine verlässliche Haltung zeigen. So habe die Bild-Zeitung nach dem Wahltriumph von Donald Trump in Anlehnung an ein viel zitiertes Wort der Bundeskanzlerin getitelt: „Wir schaffen auch den.“
Er habe erlebt, dass Familie und Freunde gerade in schwierigen Lebenssituationen für ihn da waren, bekannte Voigt, dessen Bruder sich vor Jahren das Leben genommen hat. „Wir sollten die Menschen, auf die wir uns verlassen, öfter als solche wahrnehmen“, resümierte Voigt. „In ihnen begegnet uns Gott.“
Aus gutem Grund hatte Landessuperintendent Dieter Rathing die Redner der vergangenen zehn Jahre in die historische Bürgerkirche im Wasserviertel besonders eingeladen: Unter dem Titel „Die Bürgerkanzel in St. Nicolai“ ist soeben ein Buch mit insgesamt 41 Reden seit 2006 erschienen, das der Regionalbischof mit dem Bürgerkanzelteam präsentierte.
Für Rathing passt das Erscheinungsdatum gut zum Beginn des 500. Jubiläumsjahres der Reformation. Zwar habe Martin Luther zu seiner Zeit eine „Bürger-Kanzel“ noch nicht im Blick gehabt. „Aber er hat die Spur dafür gelegt, dass Einzelne aus der Gemeinde heraustreten und auf dem Hintergrund ihrer beruflichen Alltagserfahrungen dem Christsein eine besondere Anschauung geben“, erklärt der Regionalbischof die Idee.
Die Rednerinnen und Redner kommen aus den verschiedensten Berufen. Ärzte und Juristen sind ebenso darunter wie Politiker, Kaufleute oder Polizeibeamte. Manche sind weit über Stadt und Kreis hinaus bekannt, so zum Beispiel die Schauspielerin Brigitte Antonius aus der ARD-Serie „Rote Rosen“ oder Uwe Tiedemann, Präsident der Bundes-Tierärztekammer. Prominente Bürgerinnen und Bürger reden über Gott und die Welt, ist das Motto der Reihe, die vom Sprengel, dem Kirchenkreis Lüneburg und der Kirchengemeinde St. Nicolai verantwortet wird.
Das Buch ist im Lüneburger von Stern Verlag erschienen. Es ist unter anderem im Kirchenshop von St. Nicolai zum Preis von sieben Euro erhältlich. (mer)