Rathing sieht beim Generalkonvent Gründe dafür
„Glauben Christen und Muslime an denselben Gott?“ Die klassische Frage war jetzt Thema einer Arbeitsgruppe beim Generalkonvent der rund 300 Pastorinnen und Pastoren des Sprengels Lüneburg in Celle. Landessuperintendent Dieter Rathing gab dazu eine doppelte Antwort: Denke man von den verschiedenen religiösen Vorstellungen der Menschen her, dann müsse man die Frage verneinen. „Denken wir dagegen von Gott her, dann könnte man sie bejahen als Lobpreis auf die Größe Gottes, der sich als unerschöpfliches Geheimnis offenbart hat“, sagte der Regionalbischof in seinem Impulsreferat.
Im Christentum gibt es ebenso wie im Judentum und im Islam vermittelnde Positionen neben solchen, die auf Abgrenzung setzen. Dabei bräuchten die Gläubigen ihre jeweilige Perspektive gar nicht zu verlassen, um zu erkennen, dass Gott größer ist als alle Vorstellungen von ihm, meinte Rathing. Hilfreich sei die Unterscheidung zwischen der Wirklichkeit Gottes und dem Bekenntnis zu ihm.
Für den evangelischen Theologen gibt es gute Gründe für die „Annahme“, dass Juden, Christen und Muslime an denselben Gott glauben. So stimmten die drei monotheistischen Religionen darin überein, dass es nur einen Gott gibt. Der eine Gott sei in der ganzen Schöpfung am Werk. „Ich kann nicht denken, dass Gott seine gnädige Zuwendung zum Menschen von einem bestimmten Gottesglauben abhängig macht“, gestand Rathing. Anders an Gott zu glauben als andere, heiße nicht, an einen anderen Gott zu glauben. Der Heilswille Gottes sei universal.
Dabei gebe es zwischen den Glaubenstraditionen durchaus tiefe und zum Teil unüberbrückbare Differenzen, betonte Rathing. „Aber man kann nicht von diesen Differenzen im Glaubensdenken der Religionen auf die Differenz des göttlichen Grundes schließen.“ Zwar könne es nicht darum gehen, die Theologie dem Ideal der interreligiösen Verständigung anzupassen. „Andererseits kann die interreligiöse Begegnung zu einem Entdeckungsraum für die Gotteserkenntnis werden“, gab Rathing zu bedenken. In der Begegnung und intensiven Beschäftigung mit anderen Religionen überkomme ihn gelegentlich ein Gefühl von Nähe: „Ist nicht das, was die Menschen in jenem anderen Glauben erfahren, dem nahe, was ich in meinem Glauben erfahre?“
„Theologie, Kirche und Glaube in multireligiösen Kontexten“ lautete das Thema der Jahresversammlung am 14. September in der Lobetalarbeit Celle. Nach dem Eröffnungsgottesdienst mit Landesbischof Ralf Meister und einem Vortrag von Dr. Michael Biehl vom Evangelischen Missionswerk in Hamburg konnten die rund 300 Teilnehmenden in insgesamt acht Arbeitsgruppen diskutieren. Das größte Interesse fand eine Gesprächsrunde mit Flüchtlingen zu der Frage, wie sie Kultur und Religion in Deutschland wahrnehmen. Unter dem Motto "Third Culture Kids" ging es etwa um Kinder und Jugendliche, die zwischen mehreren Kulturen aufwachsen. Der Journalist Andreas Zumach diskutierte mit den Theologen über die "Einordnung der Flüchtlingsfrage und der Rolle der Kirchen". In einer weiteren Arbeitsgruppe erörterte Pastor Wilfried Mannecke (Unterlüß) mit den Teilnehmern Möglichkeiten zum Widerspruch angesichts "ausgesprochen rechter Ideologie".
Hartmut Merten