Wie schnell Vertrauen verspielt werden kann, hat nicht zuletzt der Abgasskandal bei VW einmal mehr gezeigt. Auch deshalb griff der Neujahrsempfang des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Lüneburg-Wolfsburg (KDA) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord-Ost-Niedersachsen (DGB) im Kloster Lüne das Thema auf: „Vertrauen gestalten – gemeinsam gewinnen“.
Gerade in der Wirtschaftswelt werde Vertrauen oft gebrochen, beklagte KDA-Pastor Peer-Detlev Schladebusch. Es dann wieder aufzubauen sei „ganz schwer“. Als Moderator eines Podiumsgesprächs befragte Schladebusch zunächst Reinhild Freifrau von der Goltz zu ihren Erfahrungen. Die Äbtissin erinnerte an eine alte Ordensregel des Heiligen Benedikt: „Neige das Ohr deines Herzens zu deinen Geschwistern.“ Vertrauen spiele in dem 1172 gegründeten Benediktinerinnen-Kloster seit jeher eine große Rolle.
Versuche von Unternehmen, die Arbeit von Betriebsräten zu behindern oder gar zu unterbinden, nähmen zu, nannte Matthias Richter-Steinke einen aktuellen Negativ-Trend. Auch die Tendenz, weniger leistungsfähige Mitarbeiter – sogenannte „low performer“ – aus den Betrieben zu drängen, sah der Gewerkschafter mit Sorge. Andererseits entdeckten auch immer mehr Unternehmen die positiven Effekte der Mitbestimmung von Arbeitnehmern. Krisen ließen sich so leichter bewältigen, Investitionen nähmen zu. Schließlich sei Vertrauen in die eigene Stärke Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg.
Als leitender Geistlicher betonte auch Dieter Rathing die Bedeutung von Vertrauen. Er vertraue darauf, dass die 350 Pastoren im Sprengel Lüneburg ihre Arbeit gut machen, sagte der Regionalbischof für den Sprengel Lüneburg in seinem Beitrag. „Auch wenn dieses Vertrauen manchmal auf die Probe gestellt wird.“ Dass sich Menschen Seelsorgern anvertrauen, sei eine Stärke der Kirche. Misstrauen erlebe er am ehesten bei Personalentscheidungen. „Denn da kann man nicht alles öffentlich diskutieren“, so Rathing.
Ein gutes Klima am Arbeitsplatz brauche gegenseitiges Vertrauen, unterstrich Wulff Gräntzdörffer. Der gelernte Schlosser begann seine berufliche Laufbahn bei der Deutschen Bahn und wechselte nach 13 Jahren zum KDA. Die seither von ihm angebotene Mobbingberatung bezeichnete Gräntzdörffer als vertrauensbildende Maßnahme.
Mit dem Stichwort „Arbeit 4.0“ umschrieb Richter-Steinke die Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung in der Arbeitswelt. Die Entwicklung löse bei Arbeitnehmern Ängste aus, etwa vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Die schönfärberisch so genannte „Vertrauensarbeitszeit“ gebe anstelle von Arbeitsstunden Ziele vor, die mitunter sogar im Urlaub Einsatz verlangten. „Die völlige Entgrenzung der Arbeitszeit bedroht die Gesundheit“, warnte der Gewerkschafter. Nur in der Sozialpartnerschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern könne die Arbeitswelt effektiv weiterentwickelt werden.
Einen vergnüglichen Einblick in die Arbeitswelt früherer Jahrhunderte gaben schließlich die Schauspieler „Schmeerius und Mirkolo“ mit einem Mittelalterspektakel rund um Lüneburg und seine Geschichte.
Hartmut Merten