Rathing bei Steinmetzen in Königslutter

Nachricht Königslutter, 30. Mai 2016
Königslutter-gewölbe
„Wir bauen hier unsere eine eigene Kirche“, sagt Berufsschullehrer Achim Brinke (r.). In ihrer Freizeit arbeiten die Auszubildenden an den Kreuzrippenbögen.

„Für manche Kirchenvorstände ist der gemeindeeigene Friedhof ein Arbeits- und Verwaltungsmonster“, sagt der Lüneburger Landessuperintendent Dieter Rathing. Andere sähen darin einen wichtigen Teil der Gemeindearbeit. Die Friedhofs- und Bestattungskultur war ein Thema beim Besuch des Regionalbischofs in Königslutter, wo das Bildungszentrum für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk der Handwerkskammer ansässig ist. Mit dabei war der Handwerks-Pastor der hannoverschen Landeskirche, Claus Dreier.

Dreier sah nach dem Besuch die Möglichkeit, kirchliche Friedhofsbeauftragte zu einem Workshop einzuladen. Dabei könnten neue Ideen für attraktive Friedhöfe entwickelt werden, um dem Verfall der Begräbniskultur zu wehren. Eine Idee, die bei den Vertretern des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks gut ankam. „Industrie-Steine kann jeder, gestalten können nur wir“, sagte Architekt Achim Brinke, der als Berufsschullehrer an der benachbarten Steinmetzschule unterrichtet.

Brinke brachte auch das Thema Standsicherheit von Grabsteinen zur Sprache, das viele Steinmetze beschäftige. Einerseits würden regelmäßige Prüfungen verlangt, andererseits verfügten die Friedhofsverwaltungen in der Regel weder über die dafür erforderliche Kompetenz noch entsprechende Gerätschaften. Zudem klagten die Betriebe über einen zu großen Dokumentationsaufwand. Dabei arbeiteten die Steinmetze im Sinne einschlägiger Richtlinien durchweg nach den anerkannten Regeln der Technik, Prüfverfahren müssten praktikabel sein.

Zuvor hatte Olaf Bunger den Kirchenvertretern das Bildungszentrum vorgestellt, das unter anderem für die überbetriebliche Lehrlingsausbildung in ganz Norddeutschland zuständig ist. Im ersten Lehrjahr verbringen die Auszubildenden sechs Wochen in Königslutter, im zweiten und dritten Jahr je vier Wochen. Des Weiteren bietet das Bildungszentrum Meisterkurse an, das zugehörige Gästehaus hat 86 Betten.

Wie kommt ein junger Mensch dazu, Steinmetz zu werden? „Als meine Oma starb, sind wir zum Steinmetz gegangen, danach habe ich mit der Lehre begonnen“, erzählt einer der Auszubildenden. Andere sind über ein Praktikum, den elterlichen Betrieb oder eine Berufsbörse dazu gekommen. Auch junge Frauen ergreifen den seltenen Beruf, eine von ihnen ist durch die Schule auf das Handwerk aufmerksam geworden: „Da haben wir Speckstein bearbeitet, das hat mir Spaß gemacht.“

Während Steinmetze bei Großprojekten wie dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche gefragt sind, gehen die Grabstein-Aufträge zurück. Das Segment breche ein, beklagt Berufsschullehrer Brinke und gesteht im Blick auf „Sünden“ vergangener Jahre eine Mitschuld ein: „Für wirklich gute Grabstein-Gestaltungen hätten wir mehr tun können“. In der Ausbildung setzt der Diplom-Ingenieur nun alles daran, die alte Handwerkskunst neu zu beleben.

Dazu gehört ein Projekt, bei dem Lehrlinge in ihrer Freizeit nach und nach ein Kreuzwippengewölbe errichten. „Wir bauen hier unsere eigene Kirche“, sagt Brinke stolz. Die Lehrlinge bekämen dabei ein Gefühl für die Ausmaße großer Sakralgebäude, bislang seien bereits rund 800 Stunden Arbeit investiert worden. Eine alte Tradition, die seit dem Mittelalter gepflegt und in sogenannten Hüttenbüchern dokumentiert ist, will der Berufsschullehrer bei der Gelegenheit ebenfalls wiederbeleben: Das Steinmetzeichen – die individuelle Signatur des Handwerkers.

Hartmut Merten