„So seien nun diese Glocken dem Dienst Gottes geweiht!“ Mit diesen Worten stellte Landessuperintendent Dieter Rathing am vergangenen Sonntag das erneuerte Geläut der Lüneburger St. Johanniskirche in Dienst. Hunderte Lüneburger verfolgten die Glockenweihe auf der großen Stadtfest-Bühne Am Sande. Danach stellte Pastor Ingo Reimann die drei neuen Glocken vor. Anschließend zog die Gemeinde unter vollem Geläut zu einem festlichen Kantaten-Gottesdienst in das Gotteshaus.
Der Glockenklang bringe zum Ausdruck, dass der Glaube immer öffentlich ist, sagte Rathing im Blick auf umstrittene religiöse Symbole wie das Kruzifix in öffentlichen Gebäuden oder das Tragen des Kopftuches in Schulen. „In unserem Land darf der Glaube öffentlich sein, Gott sei Dank“, so Rathing. Doch habe das öffentliche Läuten nur dann Überzeugungskraft, „wenn wir selber nicht verstummen“, mahnte der Regionalbischof. Christen dürften keine „religiösen Leisetreter“ sein.
Notwendige Sanierungsmaßnahmen hatten den Anstoß zur Beschäftigung mit dem Geläut von Lüneburgs ältester Kirche gegeben. Eine aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Schelle sowie die 1607 gegossene „e‘-Glocke“ waren reparaturbedürftig, ebenso der Glockenstuhl und die Läuteanlage. Doch Andreas Philipp, Sachverständiger der Hannoverschen Landeskirche, hatte eine weitergehende Idee: Ihm schwebte vor, das im Ersten Weltkrieg durch Einschmelzen dezimierte Geläut wieder zu vervollständigen.
Mit Hilfe von Stiftungen, öffentlichen und privaten Geldgebern konnten nicht nur die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen finanziert werden. Der Kirchenvorstand gab bei der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe zudem drei neue Glocken in Auftrag: Tauf-, Bet- und Wachtglocke. „Glich die Umsetzung des zweiten Bauabschnitts noch zu Beginn des vergangenen Jahres einem Wunschtraum, traf uns die Zusage der Stiftung Hof Schlüter Mitte vergangenen Jahres wie ein Wunderblitz“, so Reimann. Ohne sie wäre die von dem Orgelsachverständigen ins Gespräch gebrachte Idee wohl nicht Wirklichkeit geworden.
Nach Entwürfen des Künstlers Dieter Eisenhardt erhielten die Glocken ihrer Bestimmung entsprechende Verzierungen. So ist auf der Betglocke das Vaterunser in Kreuzform dargestellt, die Taufglocke ruft die Taufe Jesu in Erinnerung. Der größte, knapp sieben Tonnen schwere Klangkörper deutet mit Figuren auf die prophetische Wächterfunktion der Kirche hin. „Die Wachtglocke prägt unsere Achtsamkeit im Umgang mit Menschen und Schöpfung“, erklärte Reimann.
Mit den neuen Glocken ist das achtstimmige Geläut in dem 108 Meter hohen Johannis-Turm nach 100 Jahren wieder komplett. Doch der volle Klang wird nur zu den hohen christlichen Festen und in der Neujahrsnacht zu hören sein. Denn die neuen Glocken sollen die kostbaren historischen Glocken entlasten, damit diese langfristig erhalten bleiben. Übrigens auch zur Betrachtung, wie der Künstler Dieter Eisenhardt, Dekan im Ruhestand, im aktuellen Gemeindebrief betont: „Die Möglichkeit, die Glocken in einem der schönsten historischen Glockenstühle vor Ort anschauen zu können, ist auch künftig eine reizvolle Aufgabe bei Turmführungen und eine schöne Möglichkeit zur Weitergabe unseres Glaubens.“
Hartmut Merten