Rathing: "Ein Schatz an Kompetenzen!"

Nachricht Winsen/Luhe, 20. Januar 2014

Landessuperintendent hospitiert bei Beratungsgesprächen der Diakonie


Winsen/Luhe. In der Kirche geht es um Glauben, für Problemfälle gibt es die Diakonie. Auch unter engagierten Christen gibt es noch immer dieses Missverständnis, sogar Mitarbeitende wissen oft wenig voneinander. Aus einer Arbeitsgruppe des Sprengels hat Sozialarbeiterin Ines Appel vom Diakonischen Werk der Kirchenkreise Hittfeld und Winsen/Luhe eine Anregung mitgebracht: „Wir wünschen uns, dass kirchliche Mitarbeiter unsere Hospitationsangebote wahrnehmen.“ Landessuperintendent Dieter Rathing ließ sich nicht lange bitten, nahm jetzt in  Winsen einen Tag lang an Beratungsgesprächen teil. „Wir haben hier einen Schatz an Kompetenzen, den können wir nutzen“, appellierte der Regionalbischof an die Gemeinden.

In der Schwangerenberatung begegnete Rathing unter anderem einer Kurdin. Die werdende Mutter erzählte von ihrer insgesamt sechsköpfigen Familie, darunter ein pflegebedürftiges Familienmitglied, und der Situation in der Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung. Auf der Suche nach einer größeren Bleibe sei sich die 33-Jährige mit dem Vermieter einig geworden. Doch nach dem Gespräch mit seiner Frau habe sich der Vermieter noch einmal gemeldet  - und abgelehnt. „Die Frau war nicht sauer, sie wollte nur verstehen, warum sie die Wohnung nicht bekommen hat“, berichtete Rathing aus dem Gespräch.

Die Sozialarbeiterinnen seien für die Ratsuchenden oft Dolmetscher, so hat es Rathing empfunden: „Das Leben zu erklären, ist eine Aufgabe der Beratung.“ Das sei ihm auch bei einem Kontakt in der Schuldnerberatung aufgefallen. „Während in anderen Familienkonstellationen vielleicht ein Freund oder die Oma einen guter Rat geben könnten, müssen hier die Beraterinnen erklären, wie etwa eine Restschuldversicherung funktioniert“, hat Rathing erfahren.

Dass die Diakonie-Mitarbeitenden zudem viel Sensibilität mitbringen müssen, ist dem Landessuperintendenten beim Gespräch mit einem drogenabhängigen Klienten in der Suchtberatung aufgefallen. Viel Einfühlungsvermögen in den psychischen Zustand sei nötig, um zu erspüren: „Wieviel Zuspruch braucht dieser Mensch jetzt und wie viel Anspruch?“ Zudem verlange die Aufgabe viel Fachkenntnis: „Ich weiß nicht mehr, wie viele Namen von Medikamenten in dem Gespräch gefallen sind…“

Den Arbeitsalltag eines anderen kirchlichen Mitarbeiters kennenzulernen, sei spannend, wirbt Ines Appel für ein „Diakonie-Praktikum“ von Pastoren. Dabei hat die Kirchenkreis-Sozialarbeiterin auch mit Begegnungen unter umgekehrtem Vorzeichen gute Erfahrungen gemacht. So habe beispielsweise ihre Kollegin Roswitha Linniek-Schmehl zu Beginn ihrer Tätigkeit im Diakonischen Werk vor Jahren einen Pastor in seinem Arbeitsalltag begleitet. „Sie fand das sehr spannend“, erinnert sich Appel.

Zudem könnten beide Seiten besser zusammenarbeiten, ist die Diakonie-Mitarbeiterin überzeugt. Pastoren könnten Gemeindemitglieder beispielsweise auf Beratungsangebote des Diakonischen Werks aufmerksam machen. „Umgekehrt brauchen unsere Klienten die Einbindung vor Ort“, weiß die Sozialarbeiterin. So verwiesen sie und ihre Mitarbeiterinnen zum Beispiel gern auf die kirchengemeindliche Arbeit mit Kindern oder gut organisierte Flohmärkte. Insgesamt rund 30 Personen sind im örtlichen Diakonischen Werk mit seinen acht Fachdiensten beschäftigt, darunter neben Sozialarbeitern auch Psychologen, Ehe- und Lebensberater. Dass die im kirchlichen Auftrag arbeiten, ist den Klienten offenbar bewusst. So habe ein Ratsuchender gefragt, ob er auch zur Diakonie gehöre, erzählt Rathing. Er habe geantwortet, eher zur Kirche. Darauf der Klient: „Das ist doch dasselbe!“

Hartmut Merten