An die 300 mehrheitlich ehrenamtliche Kirchenmitarbeiter haben jetzt bei einem „Sprengel-Praxistag Gottesdienst“ in Uelzen neue Gestaltungsmöglichkeiten kennengelernt. Das Team des Michaelisklosters in Hildesheim, Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik, hatte zwölf Workshops im Angebot. Die Überschrift lautete: „Schmecket und sehet, wie freundlich unser Gott ist.“
„Das Angesicht Gottes im Zeitalter von Facebook“ hieß beispielsweise das Motto einer Arbeitsgruppe zum Segen, die der Lüneburger Pastor Stephan Jacob leitete. Zur Einstimmung lud der Gottesdienstberater die Teilnehmer zum Nachdenken ein: Wann habe ich mich gesegnet gefühlt? Da wurden Erinnerungen wach, zum Beispiel an den Segen der Mutter für das Kind vor dem Einschlafen oder an den Kuss auf die Stirn als eine Art Reisesegen.
Am Beispiel des Konfirmationssegens wurden sodann verschiedene Handlungsmöglichkeiten ausprobiert. Dabei wurde deutlich, dass der Segen den Konfirmanden möglichst einzeln zugesprochen werden sollte. Für Stephan Jacob ist der Segen ein persönlicher Zuspruch, „face to face, von Angesicht zu Angesicht, im leuchtenden Angesicht Gottes“. Jeder solle das Gefühl haben, „das ist nur für mich gesagt“.
Großes Interesse fand auch das Angebot von Fritz Baltruweit, der „andere Gottesdienste“ vorstellte. Hier ging es, wie in anderen Workshops, um die Ermutigung zu neuen Formen. Dabei kamen alle Teile des Gottesdienstes in den Blick: Eröffnung, Lesungen, Verkündigung, Abendmahl.
Um die Musik ging es unter dem Motto „Gemeinde singt, klingt und groovt“, eine Gruppe befasste sich mit Anregungen des neuen katholischen Gesangbuchs „Gotteslob“. Unterdessen probierte Landesposaunenwart Ulf Pankoke mit Bläsern aus, wie das ist, „wenn Posaunenchöre Gottesdienste gestalten“.
Evangelische Kirchenmitglieder erwarten vom Gottesdienst vor allem eine gute Predigt, zitierte Jochen Arnold in seinem Impuls zum Tagesbeginn eine aktuelle Mitgliedschaftsstudie. Die gottesdienstliche Feier solle demnach auch Zuversicht vermitteln, Fragen der Gegenwart aufnehmen und die Erfahrung von Gemeinschaft ermöglichen. „Im Gottesdienst geschieht die Darstellung und Mitteilung des dreieinigen Gottes“, sagte der Direktor des Michaelisklosters. Hier werde Glaube geweckt und vergewissert, Gemeinschaft gestärkt und Gottes Name gelobt. „Der Gottesdienst ist das Fest der Menschenfreundlichkeit Gottes“, resümierte Arnold.
Deshalb sollten Gottesdienste vor allem gastfreundlich sein. „Gottesdienstteams erweisen sich als fruchtbare Keimzellen auch für normale Gottesdienste, warb Arnold für die Beteiligung vieler. Der Theologe und Kirchenmusiker unterstrich zudem die Bedeutung der Musik. „Nur als singende und musizierende Kirche sind wir attraktiv und einladend.“ Dabei könnten unterschiedliche musikalische Stilrichtungen in demselben Gottesdienst vorkommen.
Alternative und klassische Gottesdienstformen sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, mahnte Arnold. Doch mit ihrem größeren sinnlichen Reichtum könnte moderne Formen „ins erste Programm ausstrahlen“. Dazu gehörten auch moderne Predigtformen, der Bibliolog etwa nehme die Gemeinde in das Erleben biblischer Geschichten hinein. Schließlich sollte der sonntägliche Gottesdienst in die Woche hinein wirken. „Ich wünsche mir kleine musikalische Ohrwürmer und Herzwärmer für den Alltag, die wir aus dem Gottesdienst mitnehmen können für eine lebendige evangelische Spiritualität“, so Arnold.
Wie sich das klassische Modell mit neuen Formen verbindet, konnten die Teilnehmer beim Abschlussgottesdienst in der St. Marien-Kirche erleben. So gab eine Randnotiz zur Einleitung des 34. Psalms die Anregung zu Wort- und Musikcollagen und führte zu einem neuen Verständnis: „Das ist der Wahnsinn!“
Für eine Überraschung sorgte auch Dieter Rathing. Der Landessuperintendent begann seine Predigt mit dem Rücken zur Gemeinde in lateinischer Sprache. Um zu zeigen, wie Außenstehende den Gottesdienst manchmal erleben. Und um klar zu machen, wie er eigentlich sein soll: den Menschen zugewandt und verständlich.
Hartmut Merten