Rathing informiert sich über Landwirtschaft

Nachricht Lüneburg , 11. Oktober 2013

„Wo sind die Grenzen?“

Sprengelbereisung des Landessuperintendenten 2013

Lüneburg. „Die Bereitschaft zum Dialog hat mich gefreut.“ Das sagte Landessuperintendent Dieter Rathing kürzlich nach seinem Besuch bei Landwirt Rainer Wendt in Zahrenholz. Der Vorsitzende des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger betreibt eine Mastanlage mit drei Ställen, in denen jeweils rund 42000 Küken binnen fünf bis sechs Wochen zur Schlachtreife gebracht werden. Wendt weiß, dass diese Haltungsform in der Kritik steht und Hähnchenmäster als „Schmuddelkinder der Nation“ gelten. Darum setzt er auf Transparenz, öffnet seinen Hof für Besucher und unterschreitet in seinen Ställen freiwillig die von der EU erlaubten 42 Kilogramm Mastvieh pro Quadratmeter. Für Rathing der richtige Weg.

Die Vielfalt der Landwirtschaft im nordöstlichen Niedersachsen wahrzunehmen, war ein Anliegen der insgesamt neuntägigen Sprengelbereisung des Lüneburger Landessuperintendenten. Zudem wollte sich Rathing über landwirtschaftliche Fragen informieren, um mitreden zu können. Und um auf die Weise dem Vorwurf zu begegnen, die Kirche solle sich kundig machen, bevor sie sich zu landwirtschaftlichen Themen äußere. „Die Funktionäre sind stark in der Defensive“, hat Rathing bei seiner Besuchsreihe zum Thema Landwirtschaft beobachtet.

Zu dem aus insgesamt 17 Terminen bestehenden Besuchsprogramm, das mit dem Kirchlichen Dienst auf dem Lande erarbeitet worden war, gehörten konventionell wirtschaftende Schweine- und Milchviehbetriebe, ein Produzent von Vorzugsmilch mit Direktvermarktung, Ackerbaubetriebe und der Obsthof Busch in Tostedt. Dass sich auch von „Nischenprodukten“ leben lässt, erfuhr Rathing in Fliegenberg auf „Speers Hoff“, wo Heu für Kleintiere vermarktet wird, und auf dem benachbarten Kräuterhof Wischendorff. Fragen der landwirtschaftlichen Ausbildung standen unter anderem bei Gesprächen in der Albrecht-Thaer-Schule in Celle und der BBS Georgsanstalt in Ebstorf im Vordergrund. Weitere Themen waren die Arbeit der Dorfhelferinnen und Landfrauen, das Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Wo sind die Grenzen? Immer wieder stellte Rathing den konventionell wirtschaftenden Landwirten und Funktionären diese Frage. Dabei gehe es ihm nicht um Kritik an der Größe einer Einheit. „Aber wenn die Ferkel aus Dänemark kommen, hier gemästet und an der polnische Grenze geschlachtet werden, dann driftet etwas auseinander“, sagte Rathing. „Regionales Denken ist mir sympathischer.“

Verbraucher sollten sich über die Art und Weise der Lebensmittelproduktion informieren, mahnte Rathing bei einem Pressegespräch in Uelzen zu einem verantwortlichen Konsumverhalten. „Es gibt aber auch eine Bringschuld der Landwirte“, betonte der Regionalbischof. Sie müssten „vermitteln, was sie warum tun“. Die Produktion sollte so transparent wie möglich gestaltet werden, um Vertrauen zu schaffen. „Wenn ich eine bestimmte Art und Weise der Produktion nicht mehr vermitteln kann, ist die Grenze überschritten“, meinte Rathing.
Eine Alternative zur konventionellen Landwirtschaft konnte Rathing unter anderem auf dem Hof von Heinrich Ramme erleben, der in Ettenbüttel bei Müden (Aller) seine 50 Hektar Land biologisch bewirtschaftet und den rund 1200 Legehennen reichlich Auslauf im Freien gewährt. Dass seine Produkte besser sind als die von konventionellen Betrieben, will Ramme gar nicht behaupten. Ihm gehe es vorrangig um Naturschutz, etwa den weitgehenden Verzicht auf Chemie zur Erhaltung der Wasserqualität. Und was wirft ein Betrieb mit 50 Hektar ab? „Wir können vom Ertrag gut leben“, belegt der Vater von sechs Kindern die Wirtschaftlichkeit eines Bio-Betriebes.

Der richtige Schritt

Zwischenbilanz der Heideregion des Dorfhelferinnenwerks

Uelzen. Seit gut einem Jahr gibt es das vorläufig auf drei Jahre befristete Modell Heideregion des Evangelischen Dorfhelferinnenwerkes (DHW). Hier werden 15 Mitarbeiterinnen zu Einsätzen im nordöstlichen Niedersachsen vermittelt. Der Besuch von Landessuperintendent Dieter Rathing in der beim „Grünen Zentrum“ in Uelzen ansässigen Zentrale gab jetzt die Gelegenheit zu einer Zwischenbilanz.
„Die Einsatzleitungen in den acht zugehörigen Stationen brachen uns weg“, erinnerte Renate Lühr an die Gründe zur Neustrukturierung. „Die Bildung der Heideregion war deshalb der richtige Schritt“, ist die stellvertretende Vorsitzende des DHW überzeugt. Eine Einschätzung, die Martina Schmidt teilt. Ihre Einsatzsituation habe sich verbessert, sagte die Dorfhelferin. „Jetzt weiß ich schon vor Freitagmittag, wo ich am Montag hin muss.“ Auch Heide Schulz hat mit dem Modell gute Erfahrungen gemacht, auch wenn sie jetzt mehr reisen muss.

Das DHW bietet professionelle Hilfe für Familien bei Ausfall der haushaltsführenden Person. Gründe können beispielsweise ein Krankenhausaufenthalt, die Geburt eines Kindes, der Tod der Hausfrau oder des Hausmannes sein. Die gut ausgebildeten Dorfhelferinnen übernehmen gegebenenfalls die komplette Haushaltsführung, angefangen beim Hausputz über die Zubereitung von Speisen bis zur Betreuung von Kindern. Die Kosten werden in der Regel von entsprechenden Kostenträgern wie etwa Krankenkassen übernommen. „Doch die Verhandlungen sind oft mühsam“, hat Einsatzleiterin Sabine Kröger erfahren. Die Kassen versuchten, die Kosten zu drücken und den Einsatz der Dorfhelferinnen zu begrenzen.

Um das Projekt auf die Beine zu stellen, sei viel Aufbauarbeit nötig gewesen, berichtete Kröger. Gern würde die Einsatzleiterin ihre Mitarbeiterinnen wohnortnah einsetzen. Doch das gelinge nicht immer. „Ich wünsche mir mehr Einsatzmöglichkeiten“, sagt Kröger. Um die Nachfrage zu steigern, soll die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden. Auch die Frage, ob der Name „Evangelisches Dorfhelferinnenwerk“ noch zeitgemäß ist, wurde im Gespräch mit dem Landessuperintendenten diskutiert. Schließlich steht das Angebot allen Menschen offen, unabhängig von der Konfession. Und es gilt auch nicht nur der Bevölkerung auf dem Lande. Infos im Internet: www.dhw-nds.de

Klares Bekenntnis zur Mitgeschöpflichkeit der Tiere gefordert

Initiativen im Wendland werfen der Kirchenleitung mangelndes Engagement vor

Quickborn. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und örtliche Bürgerinitiativen haben von der evangelisch-lutherischen Landeskirche mehr Einsatz für das Tierwohl gefordert. „Ich erwarte von der Kirche ein klares Bekenntnis zur Mitgeschöpflichkeit der Tiere und Stellungnahmen gegen die Massentierhaltung“, sagte etwa der auch in der Anti-Atom-Bewegung des Wendlandes tätige Aktivist Hermann Klepper aus Anlass eines Besuches von Landessuperintendent Dieter Rathing.

Eckehard Niemann von der AbL lobte die Qualität des aktuellen Synodenpapiers zur artgerechten Tierhaltung, warf Rathing zugleich vor, kürzlich auf einem Hof in Langlingen gepredigt zu haben, zu dem ein Massentierstall gehöre. Die von Milchkühen geforderte Leistung von 10000 Kilogramm pro Jahr lauge die Tiere aus, mahnte Eckhard Wendt von der Arbeitsgemeinschaft artgerechte Nutztierhaltung. Einen großen Bogen zum Hunger in der Welt schlug Maren Ramm. „Ich erwarte, dass Kirche sich dazu äußert“, sagte die Vorsitzende einer BI gegen Tierfabriken mit Blick auf Positionen des Evangelischen Entwicklungsdienstes.

Rathing erklärte sich mit den Kritikern einig in dem Ziel, für mehr Tierwohl zu sorgen. Doch nützten Phrasen und Synodenpapiere allein wenig. „Die Kirche“ seien letztlich einzelne Menschen. „Dass Leute ihre Verantwortung erkennen und verantwortlich handeln, darum geht es“, sagte Rathing, selbst bekennender Vegetarier.

Im Rahmen seiner Sprengelbereisung zum Thema Landwirtschaft hatte der Regionalbischof zunächst den von Martin Schulz bewirtschafteten „Neuland“-Hof in Quickborn besichtigt. Zu den Neuland-Normen gehören laut Schulz Auslauf ins Freie, Stroh, regionale und gentechnisch nicht veränderte Futtermittel. „Seit 25 Jahren zeigen wir, dass es funktioniert“, betonte der Neuland-Bauer.
Ob Stroh für die Tiere tatsächlich optimal ist, blieb indes auch unter den Fachleuten umstritten. Wenn Kühe auf Stroh laufen, leide die Qualität, sagte beispielsweise Ottfried Wolter von der Norddeutschen Milcherzeugergemeinschaft. „Das ist eine niederschmetternde Erkenntnis.“

Orientierung am Tierwohl

Landessuperintendent drückt die Schulbank

Ebstorf. „Die Planung eines Masthähnchenstalls vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Spannungen“: Das war jetzt Thema einer Unterrichtsstunde in der Fachschule Agrarwirtschaft der Georgsanstalt in Ebstorf bei Uelzen. Die Besonderheit: Neben den jungen Landwirten, die sich in der einjährigen Weiterbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter befinden, drückte auch Dieter Rathing die Schulbank. Die BBS unter Leitung von Annette Due hatte sich bereit erklärt, dem Lüneburger Landessuperintendenten einen Einblick in die Ausbildung zu gewähren.

Jeweils zwei Schüler erarbeiteten wichtige Aspekte eines gedachten Bauvorhabens, artikulierten die Interessen des Betreibers einer Bioenergieanlage, des Hähnchenschlachtbetriebes, der Anwohner und der Gemeindeverwaltung. Auch eine „Bürgerinitiative“ trug ihre Argumente vor: „Wenn bei der Züchtung nur auf das Fleisch geachtet wird und nicht auch auf die anderen Organe, dann wird den Tieren Unrecht getan“, referierte ein Schüler. Eine Verlustrate von fünf Prozent bedeute in einem Stall mit 40000 Hähnchen 2000 tote Tiere pro Durchgang. Zudem sei die Enge im Stall nicht artgerecht, so die Kritiker: „Die Tiere kommen nicht mehr zur Ruhe.“

Da bleiben eine ganze Menge Fragen, resümierte Fachlehrer Joachim Meyer. Auch die Schüler sahen „nach heutigem Stand ein großes Fragezeichen“ hinter dem Projekt. Vor einer Entscheidung müssten zunächst Klärungen herbeigeführt werden.
Beim anschließenden Gespräch mit den Schülern konnte Rathing mit frisch erworbenem Fachwissen punkten: Neben dem Einsatz von Antibiotika kämen auch homöopathische Mittel in Frage, gab er den jungen Landwirten zu bedenken. Und dass es nicht immer die ganz großen Ställe sein müssen, hat Rathing in Zahrenholz erfahren. Hähnchenmäster Rainer Wendt plane dort zwei neue Ställe mit 30000 Tieren. „Es gibt eine Tendenz zur Orientierung am gesteigerten Tierwohl“, gab Rathing seine Erfahrung weiter.

Hartmut Merten