„Wo sind die Grenzen?“
Sprengelbereisung des Landessuperintendenten 2013
Lüneburg. „Die Bereitschaft zum Dialog hat mich gefreut.“ Das sagte Landessuperintendent Dieter Rathing kürzlich nach seinem Besuch bei Landwirt Rainer Wendt in Zahrenholz. Der Vorsitzende des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger betreibt eine Mastanlage mit drei Ställen, in denen jeweils rund 42000 Küken binnen fünf bis sechs Wochen zur Schlachtreife gebracht werden. Wendt weiß, dass diese Haltungsform in der Kritik steht und Hähnchenmäster als „Schmuddelkinder der Nation“ gelten. Darum setzt er auf Transparenz, öffnet seinen Hof für Besucher und unterschreitet in seinen Ställen freiwillig die von der EU erlaubten 42 Kilogramm Mastvieh pro Quadratmeter. Für Rathing der richtige Weg.
Die Vielfalt der Landwirtschaft im nordöstlichen Niedersachsen wahrzunehmen, war ein Anliegen der insgesamt neuntägigen Sprengelbereisung des Lüneburger Landessuperintendenten. Zudem wollte sich Rathing über landwirtschaftliche Fragen informieren, um mitreden zu können. Und um auf die Weise dem Vorwurf zu begegnen, die Kirche solle sich kundig machen, bevor sie sich zu landwirtschaftlichen Themen äußere. „Die Funktionäre sind stark in der Defensive“, hat Rathing bei seiner Besuchsreihe zum Thema Landwirtschaft beobachtet.
Zu dem aus insgesamt 17 Terminen bestehenden Besuchsprogramm, das mit dem Kirchlichen Dienst auf dem Lande erarbeitet worden war, gehörten konventionell wirtschaftende Schweine- und Milchviehbetriebe, ein Produzent von Vorzugsmilch mit Direktvermarktung, Ackerbaubetriebe und der Obsthof Busch in Tostedt. Dass sich auch von „Nischenprodukten“ leben lässt, erfuhr Rathing in Fliegenberg auf „Speers Hoff“, wo Heu für Kleintiere vermarktet wird, und auf dem benachbarten Kräuterhof Wischendorff. Fragen der landwirtschaftlichen Ausbildung standen unter anderem bei Gesprächen in der Albrecht-Thaer-Schule in Celle und der BBS Georgsanstalt in Ebstorf im Vordergrund. Weitere Themen waren die Arbeit der Dorfhelferinnen und Landfrauen, das Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Wo sind die Grenzen? Immer wieder stellte Rathing den konventionell wirtschaftenden Landwirten und Funktionären diese Frage. Dabei gehe es ihm nicht um Kritik an der Größe einer Einheit. „Aber wenn die Ferkel aus Dänemark kommen, hier gemästet und an der polnische Grenze geschlachtet werden, dann driftet etwas auseinander“, sagte Rathing. „Regionales Denken ist mir sympathischer.“
Verbraucher sollten sich über die Art und Weise der Lebensmittelproduktion informieren, mahnte Rathing bei einem Pressegespräch in Uelzen zu einem verantwortlichen Konsumverhalten. „Es gibt aber auch eine Bringschuld der Landwirte“, betonte der Regionalbischof. Sie müssten „vermitteln, was sie warum tun“. Die Produktion sollte so transparent wie möglich gestaltet werden, um Vertrauen zu schaffen. „Wenn ich eine bestimmte Art und Weise der Produktion nicht mehr vermitteln kann, ist die Grenze überschritten“, meinte Rathing.
Eine Alternative zur konventionellen Landwirtschaft konnte Rathing unter anderem auf dem Hof von Heinrich Ramme erleben, der in Ettenbüttel bei Müden (Aller) seine 50 Hektar Land biologisch bewirtschaftet und den rund 1200 Legehennen reichlich Auslauf im Freien gewährt. Dass seine Produkte besser sind als die von konventionellen Betrieben, will Ramme gar nicht behaupten. Ihm gehe es vorrangig um Naturschutz, etwa den weitgehenden Verzicht auf Chemie zur Erhaltung der Wasserqualität. Und was wirft ein Betrieb mit 50 Hektar ab? „Wir können vom Ertrag gut leben“, belegt der Vater von sechs Kindern die Wirtschaftlichkeit eines Bio-Betriebes.