Wie er denn als Christ Soldat werden konnte, wird Dr. Christian Freuding zuweilen gefragt. „Nur als Christ kann ich Soldat sein“, antwortet der Lüneburger Standortälteste dann. Was der Glaube für ihn bedeutet, erklärte der Oberstleutnant jetzt auf der Bürgerkanzel in St. Nicolai.
„Als Christ will ich aktiv und verantwortlich mitwirken an einer Ordnung der Gerechtigkeit in der erlösungsbedürftigen Welt“, sagte Freuding mit Blick auf die von Gott gegebene Freiheit der Verantwortung. Dabei hat der Berufssoldat auch die Würde des Feindes im Blick: „Mein Glaube hilft mir, auch im Kampf den mir gegenüber Stehenden als Geschöpf Gottes zu betrachten.“ Dazu gehöre für ihn, auch den Ruf zur Barmherzigkeit zu hören, wie ihn Jesus in den Seligpreisungen formuliert. Schließlich bedeutet der Glaube für Freuding die Einsicht, „dass ich als Soldat schuldig werden kann im Tun und im Unterlassen“. Als Christ wisse er um die Gnade Gottes und setze in dem Fall auf die Vergebung.
Freuding begann seine militärische Karriere 1990. Er studierte und promovierte im Fach Politikwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. 2002 war der heute 41-Jährige Kompaniechef der NATO-Schutztruppe für Bosnien und Herzegowina, 2007/2008 Stabschef in Afghanistan. Bevor er 2012 nach Lüneburg kam, gehörte Freuding zum Planungsstab des Bundesverteidigungsministers.
„Die Frohe Botschaft ist auch eine Geschichte der Gewalt“, erinnerte der Katholik unter anderem an die Vernichtung der Streitmacht der ägyptischen Pharaonen und an den Kreuzestod Jesu. Gleichwohl sei die biblische Botschaft eindeutig. „Die Suche nach Frieden ist biblischer Auftrag und zugleich biblische Verheißung.“ Sie gelte einer erlösungsbedürftigen Welt, der stets die Gefahr des Krieges drohe. „Dieser Drohung des Krieges, diesem Erlebnis des Krieges und der Gewalt sollen wir sogar wehrhaft entgegentreten“, sagte Freuding mit Blick auf Martin Luthers Schrift „Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können“.
Der Reformator helfe ihm auch bei der Suche nach einer Antwort auf die derzeit viel diskutierte „Frage, ob denn in diesem oder jenem Krisengebiet mit dem Einsatz auch von Streitkräften – und ich betone das „auch“ – eine auf Dauer angelegte Ordnung geschaffen werden kann.“ Die Einsicht in die begrenzten menschlichen Handlungsmöglichkeiten dürfe „kein Vorwand für Enthaltung“ sein, zitierte der Kanzelredner Bundespräsident Joachim Gauck und erinnerte an den Propheten Jesaja: Der weltliche Friedensauftrag umschließe auch Gerechtigkeit. An der Friedensordnung in der erlösungsbedürftigen Welt und an einer gerechten Ordnung mitzuwirken sei für Christen fortwährende Aufgabe. „Ihr dient auch der Dienst des Soldaten, mein Dienst als Soldat und Christ“, schloss Freuding seine Rede.
Viermal im Jahr laden die Kirchengemeinde St. Nicolai, Kirchenkreis und Sprengel Lüneburg zur „Bürgerkanzel“ ein. Nach Brigadegeneral Manfred Schlenker 2004 war mit Christian Freuding ein zweiter hochrangiger Berussoldat zu der seit 1999 bestehenden Gottesdienstreihe eingeladen. Landessuperintendent Dieter Rathing, der den Gottesdienst liturgisch begleitete, begründete die Einrichtung der Bürgerkanzel mit einer reformatorischen Einsicht: Christen seien geistlich berufen auch ohne Amt. „Eines Talars braucht es nicht dazu, das Wort Gottes zu predigen“, sagte der Regionalbischof.