Toleranz und Tabu

Nachricht Lüneburg , 14. September 2013

Landessuperintendent Rathing wirbt für Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften

„Um des Menschen willen ist anzuerkennen, dass Menschen auch in anderen Lebensgemeinschaften als der Ehe verantwortlich füreinander da sind.“ Das sagte Dieter Rathing jetzt bei einem Gottesdienst in der Lüneburger St. Johanniskirche. Der Landessuperintendent stellte sich damit hinter das derzeit viel diskutierte sogenannte Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland, das etwa auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt. Die Predigt - Teil einer Reihe anlässlich des EKD-Themenjahres „Reformation und Toleranz“ – stand unter dem Motto: „Toleranz und Tabu“.

Tabus gebe es in jeder Gesellschaft, sagte der Regionalbischof für den nordöstlichen Teil der hannoverschen Landeskirche, sie stellten ein Gerüst für das Zusammenleben dar. „In jedem Gesetz steckt aber auch die Gefahr, dass es seinen ursprünglichen Sinn verfehlt“, erklärte Rathing mit Blick auf die im Markusevangelium überlieferte Erzählung vom „Ährenraufen am Sabbat“. Die Jünger Jesu  hätten einen Tabubruch begangen, als sie am Sabbat Getreide ernteten, um ihren Hunger zu stillen. Doch Jesus habe ihnen Recht gegeben: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht.“

Der Landessuperintendent erinnerte an Tabubrüche wie den 1988 erschienenen Kinofilm „Die letzte Versuchung Christi“, der Jesus in einer Liebesszene mit Maria Magdalena zeigt, und an die 2005 in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ erschienenen Mohammed-Karikaturen. Dabei sei es vorrangig um die Verletzung religiöser Gefühle und um die Steigerung der Auflage gegangen. Jesu Anliegen sei demgegenüber gewesen, die Not der Menschen zu wenden. „Die Not von Menschen ist der einzige Grund, Ordnungen in Frage zu stellen und Tabus zu brechen“, resümierte Rathing.

Die von Landesbischof Ralf Meister initiierte Reihe mit Kanzelreden des Bischofsrates startete am 1. September mit dem von Landessuperintendent Hans Christian Brandy (Stade) bearbeiteten Thema „Toleranz und der eine Gott“. Den nächsten Gottesdienst gestaltet der ostfriesische Regionalbischof Detlef Klahr am 22. September, 11 Uhr, in Emden: „Toleranz bei Martin Luther - Hier stehe ich, ich kann nicht anders“.

Hartmut Merten