„Die Kirche muss im Dorf bleiben.“ Das sagte Landessuperintendent Dieter Rathing den Delegierten des Bleckeder Kirchenkreistages in einem Vortrag aus Anlass der Visitation am vergangenen Freitag. „Doch ich bezweifle, dass alle, die davon reden, dasselbe meinen.“
Für manche bedeute die Kirche im Dorf, dass sonntags die Glocken läuten. Andere dächten dabei an ein bewohntes Pfarrhaus, den kirchlichen Friedhof oder einen aktiven Besuchsdienst. Um als Kirche vor Ort präsent zu bleiben, empfahl der Regionalbischof von der Bevölkerung her zu denken: „Wozu kann unsere Kirche den Menschen im Dorf gut sein?“
Im Kirchenkreis Bleckede gibt es insgesamt 30 Sakralgebäude, doch deren Unterhaltung verschlingt hohe Summen. Deshalb hatte Superintendent Christian Cordes kürzlich dafür plädiert, pro Kirchengemeinde nur noch ein - mit Glocken, Heizung und Orgel vollständig ausgestattetes - Sakralgebäude vorzusehen. „Diese Perspektive wird gegenwärtig noch nicht geteilt“, heißt es im Bericht des Kirchenkreisvorstandes zur Visitation.
Darin wird auch eingestanden, dass die Personaleinsparungen seit 2009 noch nicht verkraftet seien. Die notwendige Zusammenarbeit von Kirchengemeinden, die Zuständigkeit von Hauptamtlichen für mehrere Gemeinden und der gewachsene Zwang zu Abstimmungen provoziere eine „Kaskade von Konflikten“. Dazu gehörten ein Grundgefühl von Überforderung sowie erhebliche Verlustängste.
Dass die Kirche gesellschaftlich an Bedeutung verloren habe, daraus machte auch Landessuperintendent Rathing kein Hehl. Die Gemeinden würden kleiner, durch Austritte ebenso wie durch den demografischen Wandel und die Tatsache, dass etwa Taufen nicht mehr selbstverständlich sind. „Wir müssen es wieder lernen, beispielsweise für Taufen, Trauungen und die Möglichkeit des Wiedereintritts zu werben“, forderte Rathing. Das geschehe noch zu unbeholfen.
Auch sollten die Christen persönlich dazu beitragen, den Glauben weiterzugeben. „Verschenken Sie Adventskalender mit christlichen Motiven“, nannte Rathing ein Beispiel. In dem Zusammenhang sah der Landessuperintendent im Bereich der Jugendarbeit im Kirchenkreis Bleckede eine schöne Entwicklung: „Hier gelingt offenbar, etwas von dem weiterzugeben, was uns wichtig ist.“
Dass die kirchlichen Möglichkeiten begrenzt seien, nannte der Regionalbischof einen „geistlichen Grundkummer“: „Wir strengen uns an und erreichen doch nur einen kleinen Teil von allem Volk.“ Allerdings lasse schon das Neue Testament verschiedene Beteiligungsformen erkennen. Neben den zwölf Jüngern Jesu gebe es Menschen, die nur aus Anlass einer einzigen Begegnung erwähnt werden. Und Freunde, die sich ihm verbunden fühlten, ohne mit ihm durchs Land zu ziehen.
Die hauptamtlich Mitarbeitenden seien nicht die einzigen Repräsentanten der Kirche vor Ort, gab Rathing zu bedenken. Das seien auch Ehrenamtliche wie die Lektoren und Prädikanten. Oder Menschen, die gut über die Kirche sprächen. „Seien Sie mit mir stolz darauf“, ermutigte Rathing.
In der anschließenden Aussprache beklagten Delegierte wie Edith Kolle aus Dahlenburg immer umfangreichere Verwaltungsaufgaben in Kirchengemeinden. So könne man etwa den Anforderungen des Mindestlohngesetzes in den Gemeinden kaum nachkommen. Auch Superintendent Cordes wünschte sich bei der Forderung nach Vereinfachungen mehr Unterstützung von Seiten der Landeskirche.
Doch Cordes konnte schließlich auch eine gute Nachricht aus Hannover weitergeben: Die geplante Zusammenlegung der Kirchenkreisämter in Lüneburg und Winsen sei vorerst vom Tisch.
Der alle sechs Jahre vorgesehene Besuch des Regionalbischofs im Kirchenkreis Bleckede war der letzte dieser Art: Zum 1. Januar 2017 fusionieren Lüneburg und Bleckede zum dann größten Kirchenkreis der hannoverschen Landeskirche.
Hartmut Merten