„Ich schäme mich des Evangeliums nicht“ lautete das Motto des Vortrags über „christliche Glaubensgewissheit in multireligiöser Umgebung“. Scham sei „etwas, das sich unwillkürlich einstellt und auf eine innere Unstimmigkeit verweist“, erklärte Härle. Sie zeige sich, wenn ein Christ schweigt, wo er reden müsste, und etwa „angesichts von Spott und verächtlichem Reden über den Glauben“ ein Bekenntnis vermissen lasse.
Auf der anderen Seite nannte der frühere Marburger und Heidelberger Hochschullehrer für Systematische Theologie auch „Anzeichen“ dafür, dass sich jemand seines Glaubens gerade nicht schämt. Das könne zum Beispiel das Tischgebet in der Öffentlichkeit sein. Auch der Besuch einer Kirche oder die Teilnahme an einem Gottesdienst könnten solche Anzeichen sein. Der Segenswunsch zum Geburtstag werde nicht selten als wohltuendes Glaubensbekenntnis angenommen, hat Härle erfahren. „Generell ist der freimütige Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ und vor allem des Namens Jesu Christi für mich ein Zeichen dafür, dass ein Mensch sich des Evangeliums nicht schämt.“
Von zunehmender Bedeutung sei das Glaubenszeugnis in der interreligiösen Begegnung, meinte Härle, der 1998 bis 2010 Vorsitzender der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung war. Wer sich ein Herz fasse und auch dort von Gott rede „wo uns das peinlich ist“, könne ermutigende Erfahrungen machen. Es sei möglich, zu seiner Scham zu stehen und sie zugleich im Reden oder Tun zu überwinden, zeigte sich Härle überzeugt.
Eine „wohltuende Umkehrung des Themas“ fand der Theologe schließlich im neutestamentlichen Brief an die Hebräer. Dort werde den Christen zugesagt, dass Gott sich der Menschen nicht schämt, ihr Gott zu heißen.
In seinem Bericht aus der Landeskirche dankte der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Arend de Vries, den Pastoren für ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit. Zusammen mit den vielen Ehrenamtlichen wirkten sie daran mit, „dass rechtsradikale, rassistische und antidemokratische Akteure zurzeit kein Gehör finden“.
Die Landeskirche werde die Flüchtlingsarbeit vor Ort weiter stärken, kündigte de Vries an. So könnten Mitarbeitende unter Umständen eine Zeit lang für den Dienst in Aufnahmeeinrichtungen freigestellt werden. Für Jugendfreizeiten, an denen zugewanderte Jugendliche teilnehmen, würden zusätzliche Mittel bereitgestellt. „Dass bei uns das Nebeneinander und auch das Miteinander verschiedener Religionen und Konfessionen möglich ist“, bezeichnete de Vries als Ausdruck eines einladenden Christen-Glaubens.
Hartmut Merten