Landessuperintendent absolviert Betriebspraktikum in Bäckerei und Konditorei
„Ich hätte nicht gedacht, wie viel Handwerk im Handwerk steckt.“ Das sagte Landessuperintendent Dieter Rathing kürzlich nach einem fünftägigen Betriebspraktikum bei der Bäckerei und Konditorei Cadera in Wolfsburg. Auch „die Schnelligkeit, mit der da gearbeitet wird“, hat den Regionalbischof des Sprengels Lüneburg der evangelischen Landeskirche beeindruckt.
Der Arbeitstag begann für Rathing stets nachts um 4 Uhr. In der Backstube erlebte der Geistliche den Prozess „vom Teig zum fertigen Brötchen“ mit, bestreute die fast fertigen Semmeln schließlich mit Körnern. Die Brezel sei am ersten Tag die größte Herausforderung für ihn gewesen, gesteht Rathing. „Als mir endlich ein Teil gelungen war, hatte die Kollegin schon vier Brezeln fertig.“
Nach zwei Tagen wechselte Rathing in die Konditorei des Unternehmens, das seine Produktionsstätten an der Borsigstraße hat. Im Hefeteigbereich belegte er unter anderem Pflaumenkuchen.
Neben der handwerklich aufwändigen Produktion war es nicht zuletzt die freundliche Atmosphäre, die Rathing in dem Betrieb mit mehr als 40 Mitarbeitenden beeindruckt hat. „Man hat hier offene Augen füreinander“, beschreibt er das gute Betriebsklima in der Backstube. Dabei sei er selbst für viele der Mitarbeitenden wohl „das große Fragezeichen“ gewesen, vermutet Rathing. Bis sich einer traute, ihn nach seinem Beruf zu fragen. Als Rathing ihm antwortete, er sei Pastor, habe es dem Fragesteller zunächst die Sprache verschlagen. „Nach zehn Minuten kam er wieder: Das hat was mit Kirche zu tun, oder?“
Dass angesichts des 58-jährigen Praktikanten in ihrem Betrieb zunächst Skepsis herrschte, bestätigt Petronella Cadera: „Und der will bei uns mitarbeiten“, habe ein Mitarbeiter verwundert gefragt. Doch der Landessuperintendent habe sich gut ins Team eingefügt, stellte die Cadera-Geschäftsführerin fest. „Seine Anwesenheit war schnell normal.“
Auch deshalb bot Petronella Cadera dem Landessuperintendenten gern die Chance zu einem Praktikum in ihrem Betrieb. „Uns gibt das die Chance zu zeigen, wie viel Arbeit in der Produktion unserer Backwaren steckt.“ Schließlich seien die Bäcker heute das einzige Handwerk, bei dem von der Produktion bis zum Vertrieb noch alles aus einer Hand kommt.
Für Landessuperintendent Dieter Rathing bietet das jährliche Betriebspraktikum die Gelegenheit, andere Lebens- und Arbeitswelten kennenzulernen. Auch wenn er die Erlebnisse nicht unmittelbar in seinen Predigten verwerten könne, hinterließen die Erfahrungen Spuren. „Man denkt anders, wenn man so etwas gemacht hat“, sagt Rathing auch mit Blick auf seine vorangegangen Praktika. So begann er 2012 in Werkstätten der Diakonie Kästorf, arbeitete im Jahr danach auf dem Campingplatz Südseecamp in Wietzendorf und begleitete 2014 eine Mitarbeiterin des Evangelischen Dorfhelferinnenwerks in Niedersachsen, dessen Vorsitzender er ist, bei einem Einsatz.
Hartmut Merten (Text/Foto)