Ein besonderer Schatz: Die Krippensammlung von Mechthild und Hans Karl Henne

Im Herzen des historischen Weihnachtsmarktes von St. Michaelis zieht jedes Jahr eine außergewöhnliche Ausstellung zahlreiche Besucher:innen in ihren Bann: die Krippensammlung von Mechthild und Hans Karl Henne. Doch wer hier eine beliebige Sammlung von Weihnachtskrippen erwartet, wird von der tiefen persönlichen Bedeutung dieser Ausstellung überrascht.

Die Geschichte der Sammlung beginnt 1975 in Nigeria. Hans Karl Henne arbeitete dort im Auftrag des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) in der Jugendarbeit und traf auf einen Künstler, der mit ihm über eineinhalb Jahre hinweg eine Krippe entwickelte. „Jede Figur spiegelt die nigerianische Kultur wider: Maria und Josef sind Yorubas, die Hirten stammen aus dem Volk der Fulani, und die Könige repräsentieren nigerianische Königreiche“, erzählt Henne. Diese Krippe ist mehr als ein Kunstwerk – sie ist eine Hommage an die Vielfalt und Identität des Landes, das ihn prägte.

„So wie diese Krippe speziell für Nigeria gestaltet ist, hat jede unserer Krippen ihre eigene kulturelle Geschichte“, ergänzt Mechthild Henne. Mit jeder weiteren Reise „flogen uns die Krippen zu oder wir ihnen“ – sei es im Sudan, in Tansania oder in Zakopane, wo zwischen Kohlköpfen eine geschnitzte Birkenholz-Krippe entdeckt wurde. Auch die Zusammenarbeit mit einer rumänisch-orthodoxen Kirche und Ikonen-Malern hat die Sammlung bereichert. „Ikonen sind keine bloßen Bilder, sondern Fenster zum Himmel“, erläutert Hans Karl Henne die besondere Bedeutung dieser Kunstform.

„Jede Krippe hat eine Geschichte mit uns, und wir erzählen diese Geschichten gerne weiter.“

Mechthild und Hans Karl Henne

Keine Geschichten hinterm Glas

Die Sammlung umfasst mittlerweile über 100 Krippen. Doch anstatt sie hinter Glas zu präsentieren, stehen sie offen und zugänglich, um die Botschaft der Weihnacht greifbar zu machen. „Jede Krippe hat eine Geschichte mit uns, und wir erzählen diese Geschichten gerne weiter“, so die beiden. Besucher:innen können Maria und Josef bewundern, die nicht in einem Stall, sondern vor einer Hütte sitzen, oder Figuren entdecken, die mitten in das Alltagsleben eingebettet sind – Holz hackend, Wasser ziehend oder musizierend.

Besondere Aufmerksamkeit erhält die „verlorene Form“ aus Burkina Faso: Jede Figur wird aus Wachs modelliert, mit Ton umhüllt und anschließend in Bronze gegossen. „Um an die fertige Figur zu kommen, muss die Tonform zerstört werden. Jedes Stück ist ein Unikat und ein Spiegel des dörflichen Lebens“, erklärt Hans Karl Henne. So wird die Geburt Christi in den Alltag integriert – eine Erinnerung daran, dass das Wunder der Weihnacht mitten im Leben stattfindet.

„Manchmal braucht es ein bisschen Humor, um die Botschaft frisch und lebendig zu halten.“

Mechthild Henne

„Wir setzen auf Vertrauen“

Seit über 17 Jahren gehört die Ausstellung fest zum Lüneburger Weihnachtsmarkt. „Wir teilen unsere Schätze gerne mit anderen“, betont die ehemalige Religionslehrerin Mechthild Henne. Trotz der Offenheit ist nie ein Stück abhandengekommen. „Wir setzen auf Vertrauen – und das wurde bisher nie enttäuscht.“ Die Resonanz ist überwältigend: „Es entwickeln sich wunderschöne Gespräche. Manche Menschen erzählen von eigenen Krippen oder entdecken durch unsere Ausstellung eine neue Liebe zu dieser Tradition.“

Eine besondere Erinnerung verbindet das Ehepaar mit einem Gottesdienst aus Berlin-Kreuzberg, der 2005 im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Dort präsentierte der Künstler Thomas Seyfried eine moderne Krippe, deren Figuren aus einfachen Materialien bestanden. „Wir haben uns die Ausschneidebögen aus dem Internet heruntergeladen und gebastelt. Jetzt sitzt das Jesuskind in einem Umzugskarton, und der Engel fliegt auf einer Sternschnuppe begleitet von Hund und Katze anstelle von Ochs und Esel“, lächelt Mechthild Henne. „Manchmal braucht es ein bisschen Humor, um die Botschaft frisch und lebendig zu halten.“

Krippen sind mehr als bloße Dekoration, sie erzählen vom Leben, von Glauben und Hoffnung.“ 

Hans Karl Henne

Jede Krippe hat besondere Bedeutung

„Krippen sind mehr als bloße Dekoration“, betont Hans Karl Henne. „Sie erzählen vom Leben, von Glauben und Hoffnung.“ Diese Botschaft liegt den beiden besonders am Herzen. Während ihrer Arbeit in Bethlehem erlebten sie die Lebensrealität der Menschen vor Ort. „Wir wissen, dass es kein Stall war, in dem Jesus geboren wurde, sondern eine Höhle – und dort leben auch heute noch Menschen.“

Besondere Krippen wie die aus Maisstroh gewickelten Figuren aus der Slowakei oder ein Retablo aus dem Jahr 1724, das ihnen geschenkt wurde, erweitern die kulturelle Bandbreite der Sammlung. „Jedes Stück erzählt eine Geschichte und eröffnet eine neue Perspektive auf die Weihnachtsgeschichte“, sagt Mechthild Henne.

„Wir möchten die Menschen ermutigen, die Botschaft von Weihnachten neu zu entdecken."

Mechthild und Hans Karl Henne

Einladung zum Staunen und Nachdenken

Die Ausstellung in St. Michaelis ist somit auch eine Einladung zum Nachdenken. „Wir möchten die Menschen ermutigen, die Botschaft von Weihnachten neu zu entdecken und die Geschichten hinter den Krippen zu hören“, erklärt das Ehepaar. Mit ihrer Sammlung schaffen Mechthild und Hans Karl Henne eine Verbindung zwischen Kulturen, Generationen und Glaubenswelten – und erinnern daran, dass Weihnachten mehr ist als Lichterglanz und Geschenke: Es ist eine Zeit der Begegnung, des Vertrauens und des Teilens.

Exkurs: Engelsgeschichte von Mechthild Henne

Auch wenn es hier keine direkte Krippenszene gibt, so gehört die Engelsbotschaft „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ von je her zu Weihnachten. Die Sehnsucht nach Frieden ist heute aktuell wie eh und je. Die Firma Wendt und Kühn aus Grünhainichen wurde 2023 hundert Jahre alt.

Ein Engel, der in diesem Jahr zu Weihnachten 87 Jahre alt wird, erzählt seine Geschichte: Darf ich mich vorstellen? Ich bin der Engel mit Laterne, Glocke und Bubikopf. Ich bin nur wenig jünger als meine Geburtsfirma in Grünhainichen. Meine Besitzerin ist 86 Jahre alt und ich nur ein wenig „neuer“ – wenn überhaupt. Mir geht es wie meiner Besitzerin, die Haare werden dünner und weniger. Zur „Kosmetik“ nach Grünhainichen zu gehen wäre eine Möglichkeit, aber dann sähe man mir mein Alter nicht mehr an und das wäre doch richtig schade. Ich bin stolz auf mein Alter, meinen Bubikopf und meine Blessuren. Ich stehe immer rechts vorne vor dem Orchester. Meine „Mutter“ ist im August 1937 geboren und ich kam im selben Jahr im Advent in die Familie. Da formieren sich schon einige „Geschwister“ zum Musizieren, denn die „Eltern“ pflegen die Tradition, jedem der vier Kinder zum 1. Advent einen Engel zu schenken.

Es ist überhaupt ein Wunder, dass wir überlebt haben. Ende Juni 1945 musste unsere Familie aus Mecklenburg gen Westen fliehen. In letzter Minute wurde eine Kommode auf den Treckwagen geladen, weil meine „Großmutter“ sagte: „Was soll ich mit all den Kisten? Wenn ich mir eine neue Existenz aufbauen soll, dann brauche ich Möbel.“ In der Eile kümmerte sich niemand um den Inhalt der Kommode.  An der ungefähr 15. Treckstation wurde der Wagen ausgeladen, weil er und die vier Pferde verkauft werden mussten. Da war die Freude groß, als wir Engel, in Watte verpackt, in unserem „Sommerquartier“ entdeckt wurden. Trotz der strapaziösen und gefährlichen Flucht, bei der die wertvolle Kommode sehr beschädigt wurde, ging es uns Engeln richtig gut.

Erst Anfang der 1950er Jahre konnte die Tradition der Familie wieder fortgesetzt werden und wir bekamen Zuwachs aus Grünhainichen. Inzwischen sind wir über 100 Engel und erfreuen unsere Familie und einige Tausend Menschen, die uns seit Jahren bei einer internationalen Krippenausstellung im Rahmen des historischen Weihnachtsmarktes in Lüneburg besuchen. 

Die Geschichte im Video

Video-Reportage

In diesem Video laden wir Sie ein, die bewegenden Geschichten hinter den Krippen zu entdecken. Erfahren Sie, wie diese Werke Menschen verbinden, warum Vertrauen ein zentraler Wert der Ausstellung ist und wie Humor und Kreativität die Weihnachtsbotschaft lebendig halten. Lassen Sie sich von einer Sammlung verzaubern, die über Generationen und Kontinente hinweg Hoffnung, Frieden und Begegnung verkörpert

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