Ellen Ringshausen ist ehrenamtliche Pastorin im Ruhestand. Sie ist außerdem die Tochter von Alexander von Voß, einem der Widerstandskämpfer, die am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Hitler verübten. Warum sie und die Nachkommen der anderen Kinder der Widerstandskämpfer lange als "Verräterkinder" galten, erzählt sie im Interview.
Der 20. Juli 1944 hat für Sie eine persönliche Bedeutung. Warum?
Ellen Ringshausen: Ich bin Pastorin im Ehrenamt gewesen in der Hannoverischen Landeskirche in St. Johannes Lüneburg. Und ich war klinische Seelsorgerin in der Kinderklinik in Lüneburg, habe die Seelsorgeausbildung in Göttingen gemacht, die mir sehr für diese Aufgabe geholfen hat. Ich bin außerdem ein Kind des 20. Juli 1944. Mein Vater war im Widerstand in Paris und später dann in Smolensk in der Heeresgruppe Mitte. Ich habe meinen Vater sehr geliebt, es war nur eine kurze Zeit.
Ich war sechs Jahre, als er sich das Leben genommen hatte, um unter der Folter nicht die Namen von Mitverschwörern zu nennen. Mir wurde gesagt, als ich plötzlich merkte, der Vater ist an diesem Tag nicht mehr da, er hätte sofort wieder an die Front gemusst. Und ich fühlte mich belogen, weil er sich nicht verabschiedet hatte.
Wann haben Sie erfahren, was aus Ihrem Vater geworden ist?
Ringshausen: Ich habe lange, lange Zeit gedacht, er würde noch leben, bis ich dann kapierte, er lebt nicht mehr. Wann ich erfahren habe, dass er sich selbst das Leben genommen hatte und aus welchen Gründen, weiß ich gar nicht mehr. Ich habe dann, als ich so 14, 15, 16 war, schon gewusst, dass er zum 20. Juli gehörte, aber ich hatte keine Ahnung, was er gemacht hatte und welche Rolle er gespielt hatte. Und ich habe erst Schritt für Schritt erfahren, dass er zum Widerstand in Paris gehörte, dass er dafür sein Leben auch riskiert hatte, um mit anderen Offizieren, mit der Pistole Hitler zu erschießen. Aber das gelang nicht, wie bei vielen Attentatsversuchen, denn Hitler war nicht zur Parade erschienen.