Lüneburg. Der niedersächsische Kultusminister Dr. Bernd Althusmann hat die Christen zur Verantwortung für die Bürgergesellschaft aufgerufen. „Das Haben-wollen darf nicht wichtiger sein als das Sein-wollen, die Marktform nicht wichtiger als die Sozialform“, mahnte Althusmann im Gottesdienst der Reihe „Bürgerkanzel in St. Nicolai“ am zweiten Advent. Christen sollten zu ethischen Fragen Antworten geben und Orientierung zeigen. Dabei bezog sich der Pastorensohn, dessen Vater einst in der Lüneburger St. Michaeliskirche amtierte, ausdrücklich selbst mit ein: „Wir sind ja alle Kirche“.
Als Grundlage seiner Rede wählte Althusmann, den die Lüneburger Landeszeitung nach der Entscheidung der Universität Potsdam als „Dr. rehabil.“ tituliert hatte, einen Vers aus dem Prophetenbuch Micha. Recht zu üben bedeute für ihn, Verantwortung gegenüber dem Nächsten zu zeigen. In der Mitverantwortung für staatliches Handeln sei die Trennung von Kirche und Staat überwunden. Wer die Güte liebe, könne das Gute im Leben der Mitmenschen sehen, darauf verzichten zu richten und eigene Fehler eingestehen. Die prophetische Mahnung, achtsam vor Gott zu sein, treibe ihn am meisten um, gestand der Minister.
„Eben noch Gültiges verliert in Kürze seine Gültigkeit, ethische Grenzen verschwimmen“, skizzierte Bernd Althusmann, der tags zuvor 45 Jahre alt geworden war, die Schnelllebigkeit der Zeit. „Das überfordert die Politik und auch mich persönlich.“ Umso wichtiger seien Handlungsmaßstäbe, „die uns zusammenhalten“, und das Vertrauen auf Gott. „Der vergebende Gott sprengt alle staatlichen und politischen Kategorien.“ Die Kerzen und Lichter der Adventszeit seien ein Wegweiser in der Dunkelheit.
Landessuperintendent Dieter Rathing, der den Gottesdienst liturgisch begleitete, hatte eingangs an die Lehre Martin Luthers vom Priestertum aller Getauften erinnert. „Sie stehen nicht im Verdacht schüchtern zu sein“, begrüßte er den Minister und griff damit eine Formulierung des Reformators auf. Alle Christen seien „wahrhaft geistlichen Standes“.
Hartmut Merten