Regionalbischof Rathing zur kirchlichen Arbeit in der Corona-Krise
„Social distancing“ lautet das Gebot der Stunde: Abstand halten, um sich und andere nicht mit dem Corona-Virus zu infizieren. In dieser Situation entdecken viele kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Chancen der digitalen Kommunikation. „Wir sind gerade jetzt viel im Internet unterwegs“, berichtet Dieter Rathing von vielen neuen Verkündigungsformaten. „Doch dabei bemerken wir auch einen Riesenverlust: Den Klang unserer menschlichen Stimmen.“
Der evangelische Regionalbischof würdigt die digitalen Möglichkeiten, angefangen beim Austausch per E-Mail über die Kommentierungsfunktion auf Internetseiten bis zur Chatseelsorge. „Doch wie es einem Menschen im Moment gerade wirklich geht, das sagen uns weniger Buchstaben und Zeichen auf dem Bildschirm, das verrät uns vielmehr die Stimme.“ In der Corona-Krise kommt das gute alte Telefon zu neuen Ehren, wie Rathing nach einem Austausch mit den Superintendentinnen und Superintendenten des Sprengels berichtet. „Ich freue mich, dass Pastorinnen und Pastoren in der Seelsorge jetzt wieder viel telefonieren und auch viele Menschen das Gespräch mit der Kirche am Telefon suchen“.
Zur Kirche im Corona-Krisenmodus gehört zudem fast überall in der Region die Übertragung von Gottesdiensten und Andachten per Internet. Virtuelle Kirchenführungen ermöglichen Besinnung in Zeiten, in denen die Gotteshäuser geschlossen zu halten sind. Doch die christliche Gemeinschaft soll auch dadurch erlebbar werden, dass an verschiedenen Orten das Gleiche passiert: Jeder und jede für sich und doch gemeinsam, lautet das Motto.
So folgen laut Rathing viele Christen aus der Region dem Aufruf der Evangelischen Kirche in Deutschland zum sogenannten Balkonsingen. Sie stimmen allabendlich um 19 Uhr das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ an. „Die trauen sich was! Wer hätte das gedacht?“, freut sich Rathing über solchen Mut. „Menschen machen ihr Gottvertrauen öffentlich durch den Gesang.“ Oder auch durch das Blasen eines Abendliedes auf der Trompete oder Posaune - vom Balkon, aus dem Fenster oder im Garten, wie etwa aus dem Kirchenkreis Celle zu hören ist.
Dennoch bleibt das derzeitige Kontaktverbot für viele Menschen belastend. Das gilt für alleinlebende Menschen und besonders für solche, die in diesen Tagen von Angehörigen Abschied nehmen müssen. Trauerfeiern in Kirchen und Kapellen sind untersagt, Beisetzungen lediglich im kleinsten Kreis möglich, auch am Grab ist körperliche Nähe zu vermeiden. „Die Pastorinnen und Pastoren sind Fachleute für Trauerbegleitung“, beschreibt der Regionalbischof die auch für Geistliche bedrückende Situation. „Da müssen wir in Gesprächen und auf den Friedhöfen den Menschen jetzt zwangsläufig viel schuldig bleiben, das schmerzt mich.“
Rathing leitet den Sprengel Lüneburg im Nordosten der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Dazu gehören zehn Kirchenkreise zwischen Wolfsburg und Hittfeld, Walsrode und Lüchow-Dannenberg.
Hartmut Merten